Abends um acht

12. März 2010

Es heißt ja oft, man ist bei einer dominanten Veranlagung erst dann ein wahrer Top, wenn man sich auch einmal in die Situation des Subs hineinbegeben hat. Ich brauchte es mir aber gar nicht erst einzureden, dass ich mich Theos Befehl aus reinen Studiengründen unterwerfen würde.
Es hatte nichts mit solchen nüchternen Überlegungen zu tun; ich wollte es ganz einfach. Nichts in der Welt hätte mich davon abhalten können, abends um acht wirklich zu ihm zu gehen.
Erspart mir bitte eine Beschreibung der Stunden, die ich damit verbrachte, meine Kleidung zu wählen und mich selbst zurechtzumachen. Es machte Spaß, denn ich bereitete mich ja auf ein Date mit Theo vor – aber es war auch furchtbar, denn ich wusste ja nicht, was ihm gefallen könnte und hatte furchtbare Angst, ihn zu enttäuschen. Je länger ich nachdachte, desto unsicherer wurde ich in meiner Auswahl.

Am Ende waren es dann schlichte schwarze Leggins und eine lange blaue Satinbluse mit Rüschen, zu denen ich mich entschloss. Dazu gab es noch hohe, aber flache Stiefel, und einen breiten Ledergürtel.
In mir entstand schon gegen vier ein Zittern, das im Laufe der nächsten Stunden immer schlimmer wurde.
Ich war der Auflösung nahe, als ich um wenige Sekunden vor acht vor seinem Haus stand und seinen Klingelknopf mit Fingern drückte, die so sehr zitterten, dass ich dafür doch glatt drei Anläufe brauchte.
Der Summer ging sofort, als hätte Theo neben der Tür gestanden und auf mein Klingeln gewartet.
Oben nahm er mich sofort in die Arme. Es fühlte sich aber nicht an, als ob er mich küssen und umarmen und dafür eine Verbindung zu mir aufbauen würde, sondern es fühlte sich an, als würde er meinen Körper benutzen, um ein Bedürfnis zufrieden zu stellen. So, als ob er durstig wäre und ich ihm nicht mich selbst, sondern ein Glas Wasser gereicht hätte. Es war ein seltsames Gefühl.
Dabei machte er mich mit seinen Armen gleichzeitig bewegungslos. Er war ja sehr stark, und so, wie er mich festhielt, konnte ich mich nicht rühren, konnte seine Umarmung nicht erwidern.
Dieses Gefühl der Hilflosigkeit erregte mich einerseits – und gleichzeitig weckte es meinen Unmut.
Ich war und bin nun einmal keine „naturdevote Sub“, die sich freiwillig und ohne Kampf unterwirft.
Abrupt ließ er mich los und deutete auf die zweite Tür im Flur. Ich wusste vom Uni Klatsch, dass seine Wohnung lediglich ein Zimmer hatte; ab und zu lud er ein paar Studenten für ein privates Seminar ein, daher wusste man das. Die zweite Tür musste zum Badezimmer führen, aber es gab kein extra Schlafzimmer.
Dafür war sein Wohn-Schlafzimmer jedoch riesig, mit großen Fenstern an der Stirnwand, durch die man auf einen kleinen, erstaunlich gepflegten Garten hinausblickte. Hatte Theo selbst gärtnerische Qualitäten und Ambitionen – oder hielt der Vermieter den Garten in Schuss?
Das Zimmer selbst wirkte elegant, gefüllt, aber nicht überladen. Bunte Teppiche, bunte Bilder an den Wänden, Skulpturen, riesige Pflanzen – es strömte zu viel auf mich ein, um es alles zu würdigen.
Dann fiel mein Blick auf das Bett. Es war kein Bett; es war ein sehr großer Futon, der auf einem niedrigen schwarzen Holzgestell lag. Darauf lagen Laken nicht aus schwarzem Satin, so gut der auch gepasst hatte, sondern aus brauner Baumwolle, und die Bettwäsche darauf war Braun und Rot.
Ich sah unwillkürlich sofort uns beide auf diesem Bett liegen, Theo und mich; schwitzend, stöhnend, uns herumwälzend, in Lust befangen, Theo auf mir und in mir – und die gewaltige Hitze vom Morgen kehrte zurück, verdrängte meine Verlegenheit in dieser merkwürdigen Situation.
Es war noch nicht richtig dunkel draußen, eher dämmerig, aber es brannten bei Theo bereits diverse Lichter; zwei Stehlampen und eine Lampe auf einem niedrigen Tischchen neben dem Futon.
„Zieh dich aus“, sagte er. Er selbst trug Jeans, über die er nur ein vorne offenes Hemd geworfen hatte. Ich konnte die Haare auf seinem Brustkorb sehen. Und außerdem war er barfuß.
Es kam überhaupt nicht in Frage, diese Anweisung zu ignorieren oder mich ihr gar zu widersetzen.
Zitternd zog ich mir den Gürtel aus, die Bluse, die Stiefel, die Leggins. Dann zögerte ich, als ich nur noch mein Höschen trug.
„Runter damit!“, sagte Theo scharf. Ich griff danach, zog es aus. Nun war ich vollständig nackt.
Es war seltsam, aber ich schämte mich gar nicht meiner Nacktheit. Ich wusste, Theo übt Macht auf mich, über mich aus – aber noch hatte ich mich dieser Macht nicht ergeben und unterworfen.
Bei aller Faszination, die Theo auf mich ausübte, bei aller Erregung, die mich erfüllte – noch war ich frei. Ich konnte jederzeit gehen, wenn ich das wirklich wollte. Ich gehörte noch nicht ihm.
Doch das sollte sich im Laufe des Abends gravierend ändern.


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