Die Einladung

23. Dezember 2009

Auf einmal unterbrach er sich, sah mich an, jetzt schon wieder etwas sicherer geworden – vielleicht weil ich nicht schreiend vor ihm weggelaufen war, wie er das vielleicht erwartet hatte, und wie ich es vielleicht auch hätte tun sollen -, und meinte dann: „Verzeihen Sie, ich kann hier nicht so darüber sprechen, aber ich möchte es Ihnen gerne schildern, worum es in diesem Traum geht.“
Er stockte kurz, schluckte, und dann bat er mich: „Wollen Sie nicht mitkommen in meine Wohnung? Ich wohne gleich in der Nähe.“

Ich hätte es wissen müssen, dass da jetzt so etwas kam; eine Einladung in seine Wohnung. Ich war fast enttäuscht; es wirkte einfach zu plump und passte irgendwie gar nicht zu diesem Mann, diesem Robin M.
Ich hatte vorhin sehr wohl die Information gehört und entsprechend gespeichert, dass er geschieden war. Ein anderer als ein geschiedener Mann würde auch nie auf die Idee kommen, eine fremde Frau in seine Wohnung einzuladen. Aber auch ein Single überlegt sich das normalerweise dreimal.
Frauen zu früh in die eigene Wohnung einladen, das zeugt von einem Draufgängertum, das im Zweifel eher abschreckt als einnimmt. Aber dieser Mann, das war ganz bestimmt kein Draufgänger.
Dessen war ich mir sicher. Das konnte nur bedeuten, dieser merkwürdige Traum war ihm so wichtig, dass er jegliche Höflichkeit und Zurückhaltung und selbst die passende Taktik völlig außer Acht ließ.
Es machte mich neugierig.
Wobei die fremde Frau, der ein solches Angebot gemacht wird, dieses natürlich niemals annehmen sollte, das wissen ja hoffentlich alle weiblichen Leser. Das gebietet einfach die Vorsicht.
Auch ich wusste es genau, das durfte ich nicht, ich durfte nicht mitgehen. Nicht nur, weil es gefährlich hätte sein können, sondern auch, weil ich dazu eigentlich gar keine große Lust hatte.
Natürlich, ich wollte es schon hören, welchen Traum dieser Robin hatte – der übrigens in etwa in meinem Alter war, schlank, mit grauen Augen, einem schmalen, blassen Gesicht, schmalen, blassen Händen und etwas zu langen, dunklen Haaren mit erstem Grau darin, extrem teuer, wenn auch nicht unbedingt auffallend elegant gekleidet, eher lässig. Nach-lässig.
Aber ich wollte es hier im Café hören, nicht in seiner Wohnung. Ich wollte nicht mit ihm alleine sein.
Ich weiß es nicht genau, was mich dazu bewogen hat, trotzdem ja zu sagen und mitzukommen.
Immerhin besaß ich die Geistesgegenwart, ihn vorher ganz offen nach seiner Adresse zu fragen – und diese nicht etwa Phil per SMS mitzuteilen, was sonst möglicherweise zu erheblichen Komplikationen und auf jeden Fall Diskussionen geführt hätte, sondern Cathy aus dem Domina Studio.
Cathy würde das sicher verstehen; und sie würde mir sicherlich helfen.
Natürlich war dieses SMS keine ausreichende Sicherheitsvorkehrung. Robin hätte ja auch ganz woanders wohnen können, als er mir gesagt hatte. Aber er hatte mir seine Adresse nicht nur genannt, sondern er hatte mir seinen Ausweiß gezeigt; unaufgefordert. Was mich sehr beruhigte.
Natürlich der Ausweis konnte ja nun auch geklaut sein. Wenn man einmal anfängt, misstrauisch zu sein und nachzudenken, was alles sein und passieren könnte, dann findet man damit kein Ende mehr.
Es ist ein sehr schmaler Grad zwischen vorsichtig sein und paranoid sein, das muss man sich bewusst machen …
Jedenfalls, ich ließ mich zwar sozusagen von Cathy covern, die bereits per SMS geantwortet hatte und in einer Stunde meinen Anruf erwartete, dass alles in Ordnung war, aber ich ging mit.
Es waren tatsächlich nur ein paar Schritte von dem Café bis zu einem alten Haus, in dem Robin M. im Erdgeschoss wohnte. In einer riesigen Wohnung, die zwar etwas unordentlich war, ebenso nachlässig wie seine Kleidung, aber offensichtlich ebenso teuer eingerichtet, wie es seine Kleidung gewesen war; so etwas sieht man einfach. So deutlich, als hätte alles noch Preisschilder getragen.
Nur dass es alles schon viel zu alt und zum Teil auch abgetragen war, um noch Preisschilder dran zu haben …
Robin bot mir einen Kaffee an. Eigentlich hatte ich mit dem gerade eben im Lokal für den Tag genug an Koffein zu mir genommen, und ich war aufgeregt genug, mit einem leichten Unbehagen als zusätzlich wach machenden Beigeschmack, dass ich dieses Aufputschmittel sicherlich nicht brauchte.
Überhaupt, wieso bot Robin mir Kaffee an? Trinken Engländer nicht vorwiegend Tee? Ich wollte schon etwas haben, woran ich mich festhalten konnte, bat aber dann tatsächlich um einen Tee.
Den ich bekam; dabei sagte er, das mit dem Kaffee hätte daran gelegen, dass er gesehen hatte, ich hatte mir im Lokal einen bestellt. Wie aufmerksam von ihm; es rührte mich irgendwie, diese Geste.
Aber Tee war mir dann doch lieber. Und es war nicht einfach Teebeuteltee, wie ich ihn mir meistens mache, den ich dann geliefert bekam, sondern es war Tee, der in einer echten rituellen Zeremonie bereitet wurde, inklusive Teekanne mit heißem Wasser vorwärmen und so weiter.
Es war faszinierend zuzuschauen.
Ja, und dann saßen wir gemeinsam im Wohnzimmer auf einer alten, sehr bequemen Couch, und er erzählte mir von seinem Traum.


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