Die SM Hotline
Ich weiß nicht, ich glaube, ich muss so langsam aufpassen, dass ich beim SM Stammtisch nicht zur Briefkastentante werde. Ihr kennt ja sicherlich diese Rubriken in den Zeitschriften – Fragen Sie Frau Wie-auch-immer oder Doktor Dingenskirchen und so weiter; diese Ecken, wo die Leute ihre ganzen Probleme abladen.
Und irgendein armer Mensch muss dann versuchen, für alle diese Probleme Lösungen zu finden. Wie so eine „Agony Aunt“, wie man im Englischen sagt, komme ich mir momentan ein bisschen vor.
Angefangen hat alles mit einem Anruf von jemandem vom SM Stammtisch. Mit den Leuten arbeite ich mittlerweile recht eng zusammen, denn die sollen mir ja nun auch helfen, den kleinen SM Shop hier hochzuziehen.
Wobei meine Pläne in Bezug darauf mittlerweile sogar noch weitergehen; ich plane auch einen Onlineshop, denn ich weiß ja nun aus eigener Erfahrung, wie schwierig es sein kann, die richtigen Sadomaso Spielzeuge zu finden. Das gilt nicht nur für die Leute hier in der Stadt, sondern auch anderswo.
Entsprechende Kontakte habe ich auch schon viele knüpfen können; ich glaube, das könnte echt was Gutes werden.
Das weitet sich alles aus, und da brauche ich Mithelfer, und die vom Stammtisch machen bereitwillig mit.
Allerdings heißt das natürlich, sie rufen mich ebenfalls an, wenn sie Hilfe brauchen. Und nun kam das so – dieser Stammtisch organisiert eine kleine „Hotline“ drei Stunden in der Woche, nachmittags, wo Leute anrufen können, die Fragen zu SM haben, oder Probleme damit, dass sie anders sind oder was auch immer.
Diese Sorgen Hotline ist immer betreut worden von einer Sklavin beim Stammtisch, die sehr viel Zeit hat, weil sie nur halbtags arbeitet und ansonsten nichts zu tun hat, außer ihrem Herrn zu dienen, wenn sie mal einen hat.
Lange Zeit war sie solo – ja, im SM Bereich kommt es schon vor, dass die Frauen solo sind und händeringend nach den passenden Partnern suchen -, aber jetzt hat sie über das Internet einen Dom kennengelernt, der ziemlich weit weg wohnt.
Die beiden haben sich zweimal getroffen – und dann hat sie beschlossen, hier alles aufzugeben und zu ihm zu ziehen, und zwar Knall auf Fall.
Die meisten anderen vom Stammtisch haben die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen und ihr dringend abgeraten. Ein ungutes Gefühl hatte ich auch, bei dieser sich überschlagenden Entwicklung, aber erstens kannte ich sie nicht gut genug, um ihr jetzt ungefragt einen Rat aufzudrängen, und zweitens ging mich das ja nun auch überhaupt nichts an.
Ich fürchtete zwar ebenso wie die anderen, dass sie da einen schweren Fehler machte, alles aufzugeben für einen Mann, den sie kaum kannte, aber damit konnte ich mich ja nun ebenso gut auch täuschen. Wer war ich, dass ich meine eigene Intuition für richtiger und besser hielt als die ihre, die ihr sagte, genau dieser Schritt sei der Weg zu ihrem Glück?
Und selbst wenn ich davon fest überzeugt gewesen wäre, dass sie das Falsche macht, hätte ich sie ja nun im Zweifel nicht umstimmen können, denn so nahe standen wir uns nun einmal nicht, dass sie überhaupt auf mich gehört hätte. Deshalb hielt ich lieber die Klappe.
Nach ihrem Weggang wurde dann lange diskutiert, wer jetzt diese SM Hotline machen sollte. Zuerst war es im Gespräch, dass man das abwechselnd machen sollte, sodass jeder mal dran war, aber die meisten am Stammtisch hätten, in einem normalen Job, nie die Chance gehabt, daneben auch noch eine Sadomaso Sexberatung zu machen.
Ich war da etwas freier, mit meinem Umbau und der Boutique meiner Freundin, und irgendwie ergab es sich, dass ich das dann nun machen sollte.
Die andere Alternative wäre es gewesen, die Stunden der telefonischen Erreichbarkeit zu verlegen, aber das wollten alle nicht; verständlich. Deshalb blieb ja nur ich als künftige Betreuerin der Hotline. Die ausreichende Erfahrung mit BDSM habe ich ja nun auch aufzuweisen.
Wobei ich gleich dazu gesagt habe, dass ich das nicht auf Dauer übernehme, sondern nur einstweilen einmal. Mehr kann ich ja schon deshalb nicht versprechen, weil ich mich ganz bestimmt wieder auf die Socken nach England machen werde, wenn meine Freundin zurück ist. Und eigentlich habe ich es nicht einmal vor, so lange die Hotline zu bemannen; oder in dem Fall zu befrauen.
Ich weiß ja überhaupt nicht, wie sich das bei mir alles entwickelt.
Allerdings habe ich festgestellt, dass das mit dieser SM Hotline so wild gar nicht ist. Meistens ruft da sowieso kein Schwein an, und wenn doch, dann muss man in erster Linie zuhören, das ist da weit mehr gefragt als irgendwelche direkten Ratschläge. Zuhören kostet ja nun nicht viel; das kann ich auch nebenher tun.
Da bin ich richtig froh; die Belastung ist längst nicht so hoch wie befürchtet.
Außerdem kann sich aus so einem Gespräch aus der Hotline auch mal das eine oder andere ergeben, wie ihr sehen werdet, und das ist dann schon mal ganz lustig. Davon werde ich euch allerdings erst beim nächsten Mal berichten, denn jetzt muss ich dringend weg. Wir hören uns!