Ein Angebot aus Bayern

26. Oktober 2013

Statt ihn lange mit „was ist denn los“ und „erzähl mal“ zu überfallen – ich weiß, wie sehr ich selbst das hasse, wenn mich etwas bedrückt, das ich noch nicht vollständig durchschaut habe, und mich dann jemand noch zu einer exakten Chronik drängt – umarme ich Mondheim einfach.

Und wie gut, dass ich nicht gefragt habe, die Antwort erschließt sich mir schon bald von selbst, wenn auch nur im Überblick und nicht in den Details. Wer sonst sollte sich bemüht haben, einen solchen Gefühlscocktail herbeizuschütteln, wenn nicht Silvia Mondheim.

Würde ich ihn allerdings mit der freundlichen Frage versuchen zum Sprechen zu animieren, ob sie herumzickt, wäre das garantiert wenig hilfreich.

Ich bin nicht blöde. Ich weiß um die Macht, die sie über ihn hat. Sie besteht in der gesamten wirtschaftlichen und emotionalen Verflechtung, die in der Vergangenheit aufgebaut wurde, und in dieser Vergangenheit selbst. Das kann sie geschickt ausnutzen, und schon wird es genügend Stunden geben, in denen Mondheim seinen Schritt bedauert. Der ihm wie jeder Schritt unmöglich nur Vorteile bringen kann. Sie muss nur warten, bis der goldene Schimmer der ersten Verliebtheit schwächer wird, bis der Alltag graue Asche darüber streut und die Probleme ihren Kopf heben, die in unserer Unterschiedlichkeit begründet liegen, und es wird ihr gelingen, über die bestehenden Bande an seinem Herzen zu ziehen.

Am schönsten wirkt immer das, was man nicht hat, dessen Enttäuschungen einem also nicht lebhaft gegenwärtig sind. Ab jetzt ist sie es, die er nicht hat, die dadurch womöglich eine Romantisierung – ob sie damit geschickt umgehen kann?

Ich muss gestehen, ich war von ihrem Auftritt bei der so genannten Aussprache beeindruckt. Geglaubt allerdings habe ich nur in der ersten Erleichterung daran, damit sei alles erledigt.

Irgendwann schaffe ich es doch nicht mehr, ihn mit seiner Frustration und Verzweiflung allein zu lassen. „Was will sie?“ frage ich. Inzwischen sitzen wir auf dem Bettsofa, mitten in den quaderförmigen Symbolen des Aufbruchs und der schmerzhaften Unordnung des Abschieds.

Er löst sich von mir, holt tief Luft. „Ich sollte dir das vielleicht alles gar nicht sagen, aber ich muss es einfach loswerden. Ich habe eine furchtbare Szene hinter mir. Ich – ich bin so wütend und enttäuscht. Dabei hätte ich wissen müssen, dass sie Zicken machen wird.“

Es bringt mich zum Lächeln, wie wir denselben Begriff benutzen, aber ich kann mich gerade noch beherrschen, eine so unpassende Reaktion zu zeigen.

Noch einmal atmet er tief ein. „Also, sie hat Grübingen rausgeworfen, bevor ich kam, und droht damit, ihn endgültig zum Teufel zu schicken. Als ob mich das zurückholen würde! Sie hat es erst mit Überredung versucht, dann mit Bitten, und dann hat sie mir gedroht.“

Mein Mund wird trocken. „Womit?“ Er zuckt die Achseln. „Du kannst dir doch denken, dass bei den Geschäften einiges auf ihren Namen läuft. Ja, ich weiß – immer wieder sind die Männer so blöde, sich dort von den Frauen abhängig zu machen, wo die sie am meisten treffen können, aber es bietet sich nun einmal an.“

Nein, lieber Leser, keinen Aufstand bitte. Ich habe schon längst vor Ihnen gemerkt, Mondheim ist neben allem anderen auch ein kleines MCP. (Für den Fall, dass Ihnen dieser längst wieder unmoderne Begriff nicht mehr geläufig sein sollte: Male chauvinist pig. Übersetzen können Sie gewiss selbst.) Es gibt Männer, die sind das nicht. Aber man kann ja nicht alles haben.

„Jedenfalls,“ fährt er fort, „am Schluss war sie reineweg hysterisch. Sie will mir jeden Schritt, der nun notwendig getan werden muss, so schwer wie möglich machen. Wenn sie sich tatsächlich stur stellt, dann haben wir einiges vor uns.“

„Und was ist es, das sie damit erreichen will?“ erkundige ich mich. Er lacht bitter. „Mir einmal gründlich zeigen, wie sehr sie mich in der Hand hat.“ „Das meine ich nicht,“ schüttele ich den Kopf. „Wozu macht sie das? Was will sie haben?“

Er vergräbt den Kopf in den Händen. Die nachfolgenden Worte sind undeutlich, aber ich verstehe sie auch so. „Ich soll im Haus wohnen bleiben, zumindest den Anschein dieser Ehe aufrecht erhalten, die schon seit Jahren eine Farce ist. Ich darf dich gerne ab und zu sehen, hat sie mir großzügig angeboten, aber sie will nicht, dass wir beide zusammenziehen.“

Nein, meine liebe kleine Silvia – sehr geschickt bist du nicht. Der Angriff auf sein Ehrgefühl und seine Bequemlichkeit kommt viel zu früh nach seiner Entscheidung, die er ja nun nicht aus einer Laune heraus getroffen hat. Oder zu spät; je nachdem, wie man es nimmt. Sie hätte agieren müssen, noch bevor die Wohnung gefunden und alles abgesprochen ist. Noch bevor auch zu meinen Gunsten die ersten Verflechtungen entstanden sind, die es soviel einfacher wäre, schlicht zu akzeptieren, statt sie wieder zu entwirren.

Natürlich ist Geld für ihn kein Thema; für ihn spielt es keine Rolle, ob er völlig umsonst Maklergebühren, Kaution und Miete zahlt. Spätestens in einigen Monaten ist er raus aus dieser Falle, wenn er nicht vorher schon einen Dreh findet.

Aber aufgrund seiner Entscheidung habe auch ich Entscheidungen getroffen. Meine Wohnung ist gekündigt, mein Zeug gepackt, meine Mutter informiert. Mich jetzt sitzen zu lassen, wäre unanständig, und das zu sein ist etwas, das Mondheims altmodisches Herz nicht leicht über sich bringen kann.

Sie lässt ihn zwischen zwei Unanständigkeiten wählen, statt zu einem Zeitpunkt zu reagieren, in dem sie den Anstand allein auf ihrer Seite hat.

Gut für mich.

Er steht auf. „Ich muss meinen Anwalt anrufen. Er soll alles vorbereiten, damit ich morgen mit ihm zusammen alle Eventualitäten durchgehen kann und weiß, was im schlimmsten Fall geschieht.“

Ich verziehe mich in die Küche für einen Tee. Man sollte es nicht glauben, aber die Briten haben recht. Eine gute Tasse Tee mit Sahne und Zucker beruhigt die Nerven. Wortlos stelle ich ihm eine Tasse hin, als er sich zu mir gesellt. Fast ohne Widerspruch trinkt er. Immerhin, er ist kompromissbereit. Wenn er schon eine solche Angewohnheit übernehmen kann, die bei den meisten Menschen Entsetzen hervorruft, dann werden wir auch in den kleinen Dingen des Lebens miteinander klarkommen.

Ich weiß durchaus, Mondheim ist jemand, der es gewohnt ist, dass jemand hinter ihm aufräumt. Schließlich sind ja immer Hausangestellte da. Der ganze Kladderadatsch, der schon bei Gleichaltrigen ständig zu Explosionen führt, wer wäscht das Geschirr und wer putzt den Fußboden – mit ihm steht da gar nicht erst eine Auseinandersetzung bevor, sondern es steht vielmehr von vornherein fest, er wird das nicht tun. Sondern entweder ich, oder jemand, den man – er – dafür bezahlt. Gut, sicher wird er mir ab und zu helfen, aber zuständig ist er für all die widerlichen Arbeiten, die immer wieder anfallen, noch bevor man sie richtig vollendet hat, ganz sicher nicht. Vielleicht ist es eine Frage der Generation, vielleicht auch nicht. Keine Ahnung; jedenfalls ist es eine Tatsache.

Lachen Sie nur – ich werde damit leben müssen und leben können. Ich sehe nun wirklich meine Wirkungsorte nicht bei Kindern, Küche und Kirche, aber wenn es sein muss und seine Ansprüche an meine Ordnungsliebe nicht zu hoch sind, werde ich den Haushalt weitgehend übernehmen.

Ich kann ihn mir doch nicht anders wünschen, als er ist. Mondheim, wie jeden anderen Menschen auch, gibt es nur im Gesamtpaket; und keine Wundertüte bietet nur erfreuliche Überraschungen.

„Wie es wohl Grübingen geht?“ überlege ich. „Ach ja, verdammt – gut, dass du mich daran erinnerst. Bei dem wollte ich mich auch noch melden.“

Er erledigt das von seinem Handy aus in der Küche, weil da die Nummer offensichtlich einprogrammiert ist. Mondheim spricht sehr sanft; man spürt sein Mitgefühl. Schon merkwürdig – da muss der Ehemann, demnächst vielleicht Ex-Ehemann, den Liebhaber trösten, weil der sich auf Anweisung der Ehefrau vorübergehend in der Wüste aufhalten muss, um den Ehemann zurückzuholen.

Mittendrin fällt mir ein, was ich vorhin völlig vergessen habe. Teppiche; wir werden Teppiche brauchen, irgendwann. Weiße Berber. Oder etwas mit mehr Farbe? Und fürs Badezimmer auch – meine roten, die ich beim Einzug hier gekauft habe, weil mein Vorgänger eine Wand im Bad rot gestrichen hatte, die taugen nicht mehr. Und Bilder, ja. Meine paar Poster sind längst abgenommen und zusammengefaltet. Richtige Bilder, so mit Rahmen und so, besitze ich nur zwei kleine. Beide von einem Bekannten, der mich in die Werte der kommunistischen Politik eingeführt hat zu einem Zeitpunkt, als der Kommunismus überall zu bröckeln begann. Immerhin, malen kann er. Ich bin jedenfalls Sozialist, kein Kommunist. Ob man die Menschen von rechts oder von links mit Füßen tritt, halte ich für einen unwesentlichen Unterschied.

Vielleicht können wir uns in der Wohnung auch ein paar große Pflanzen anschaffen. Hier war der Platz dafür zu beengt, außerdem ist mein Daumen mehr braun als grün. Mit Hydrokultur allerdings müsste das auch zu überwinden sein; und Platz ist in den fünf Zimmern genug.

In Gedanken statte ich wieder einmal das neue Wohnzimmer aus. Der Nestbauinstinkt steckt halt auch in Feministinnen oder vielmehr solchen Frauen, die energisch genug auftreten, dass andere glauben, sie mit diesem Vorwurf an die Wand stellen zu müssen zum Schämen.

Was für eine hektische Zeit. Übermorgen der Umzug, am Freitag meine Mutter, am Sonntag der Zirkel, und nächste Woche Freitag sind wir in Bamberg, wollen dort übers Wochenende bleiben. Wie soll ich das nur alles schaffen? Es liegt noch soviel an an größeren Dingen und auch an nervigem Kleinkram.

Ja, und er muss sich zu alledem auch noch mit dem Versuch einer Frau herumschlagen, nun doch zu halten, was sie schon längst aufgegeben hat.

Es wird ein langes Gespräch, das mit Grübingen, und er beendet es seufzend. „Der arme Kerl. Er ist so – durch und durch anständig, und leise, unaufdringlich. Genauso, wie sie mich immer haben wollte, und wie ich nie gewesen bin. Eigentlich wäre er der ideale Partner für sie. Nur dass sie wie so viele andere Menschen auch eigentlich nicht nur das eine will, sondern gleichzeitig auch sein Gegenteil.“

Ich finde, es ist langsam Zeit für ein paar Einzelheiten. Ich kann mich ja doch nicht vornehm zurückhalten. „Was ist denn eigentlich genau passiert?“

„Als ich eingetroffen bin, bin ich ihm gerade begegnet, wie er mit seinen Taschen zur Tür herauskam. Er hat mir nicht verraten, dass sie ihn vor die Tür gesetzt hat; das hat sie mir nachher gesagt. Noch ist es nicht endgültig, obwohl sie das angekündigt hat. Zunächst einmal hat sie sich wahrscheinlich nur vorgestellt, wenn er nicht da ist, bleibe ich dafür über Nacht.“

Mögen Männer das eigentlich, wenn sich zwei Frauen um sie streiten? Keine Ahnung. Klar ist nur – er fühlt sich nicht wohl als Zankapfel. Er mag klare Verhältnisse, eindeutige Entscheidungen, die ebenso eindeutig umgesetzt werden.

Ich bin sehr froh darüber.

Von Martina weiß ich, wie sehr es an den Nerven und am Selbstbewusstsein zerrt, eigentlich nur Statist in einem Dreierstück zu sein, dessen Protagonist an der Einhaltung dieser heiligen Zahl besteht.

Vorhin hatte ich mir noch vorgestellt, Mondheim zu verführen, sobald er eintrifft. Nun ja – es gibt Pläne, denen das Leben selbst dazwischenfunkt.

***

Am nächsten Morgen fühle ich mich wie zerschlagen und bleibe das erste Mal eine Viertelstunde länger als Mondheim im Bett. Es ist doch alles ein bisschen viel, was derzeit auf mich einstürmt. Er hingegen ist voller Energie; es gibt ein Problem, und das gilt es anzupacken. Gleich um halb acht ist er beim Anwalt. Seinem eigentlichen Anwalt, nicht Gastner; der ist nur für spezielle Dinge da und ansonsten mein Ansprechpartner deshalb, weil er keine Berührungsängste mit SM hat, um es einmal vorsichtig auszudrücken.

Mechanisch erledige ich, was im Büro anliegt, ohne die Kraft für Ideen und durchschlagende Aktionen.

Kurz vor der Mittagspause klopft es. Deinar steckt den Kopf ins Zimmer. Meine Laune begibt sich ohne Zwischenstation in den Keller. Das fehlt mir jetzt gerade noch.

Seltsamerweise ist er nur ein klein wenig feindselig. „Können wir irgendwo einen Kaffee trinken?“ fragt er. Vorhin war mir noch mehr nach Mittagessen, doch der Appetit ist mir vergangen.

Schweigend und linkisch trotte ich neben ihm her.

„Ich wollte dich noch einmal sehen,“ beginnt er, als wir in irgendeinem überfüllten Café an einem wackeligen kleinen runden Tisch sitzen, der durch seinen Aschenbecher neben unseren Tassen schon überladen wirkt. „Ich werde nämlich weggehen; nach Bayern.“

„Ach,“ krame ich irgendwo gespieltes Erstaunen hervor. „Wieso denn das?“ „Ich habe von dort ein Angebot,“ erklärt er. „Eines, das ich wirklich nicht ablehnen kann. Eine solche Chance bekomme ich nicht wieder.“ Nein, ganz bestimmt nicht, denke ich grimmig. „Das kam aber sehr plötzlich,“ sage ich laut.

Er lacht triumphierend. „Qualität setzt sich halt durch. Ja, ich bin selbst noch völlig überrascht. Es ist einfach zu gut, um wahr zu sein. Es ist auch ein Verlag, aber dort bin ich die Nummer 1. Derjenige, der alles in der Hand hat. Das ist endlich einmal eine Position, wie ich sie mir schon immer gewünscht habe. Nicht immer nur mitlaufen und vollständig abhängig sein von einem anderen, sondern selbst bestimmen und selbst entscheiden.“

„Ich gratuliere dir,“ bringe ich hervor und herrsche die ganzen schadenfrohen Gedanken in meinem Kopf an, gefälligst zu schweigen.

„Ja, und dann ist da noch etwas anderes,“ fährt er fort. „Das betrifft dich. Anne, mir ist in Zusammenhang mit diesem Angebot klargeworden, wie sehr es mich in den Süden zieht, und das liegt nicht nur an dieser neuen Stelle. Irgendwie – habe ich mich innerlich nie von meiner Frau lösen können. Ich hänge noch immer an ihr. Das mit uns, es tut mir Leid, Anne, dass ich das so hart sagen muss, aber das war ein Irrtum von vorne bis hinten.“ Dem kann ich nur zustimmen. „Sobald ich das eingesehen, habe ich sie angerufen, und wir haben uns getroffen, als ich für das Vorstellungsgespräch unten war. Ich hätte es nie zu hoffen gewagt, aber es scheint, als könnten wir noch einmal von vorne anfangen.“

„Das freut mich für dich,“ bemerke ich und meine es irgendwie sogar ehrlich. Endlich beginnt er, bei sich selbst aufzuräumen und einzusehen, was für jeden anderen offensichtlich ist. Was auch für mich hätte offensichtlich sein müssen, wäre ich nicht mehr mit meinen Gefühlen als einer Analyse der seinen beschäftigt gewesen.

Deinars beide großen aktuellen Erfolge, beruflich und privat, stimmen ihn anscheinend milde. Auf einmal ist die Stimmung wieder so, wie sie am Anfang manchmal war; man kann einfach gut miteinander reden. Nur ist längst begraben, was damals noch da war an Möglichkeiten für mehr, und was sich später so verkorkst und unglücklich seinen Weg gebahnt hat.

Und ein scharfer Stich ist da, hervorgerufen durch meine Kenntnis von Dingen, die sich ihm erst nach und nach erschließen werden.

Nein, ich bedauere es nicht, welche Stürme ihm bevorstehen. Wer den Wind sät … Und so weiter. Aber ich bin froh, dass er eine Art Gleichgewicht gefunden hat. Und dass er sehr bald von der Bildfläche verschwinden wird.

„Und Mondheim?“ frage ich endlich. Er holt sich eine neue Zigarette, zündet sie an, bläst den Rauch aus. „Nun ja, Mondheim – es dürfte dir ja nicht entgangen sein, dass zwischen uns gewisse Unstimmigkeiten aufgetreten sind.“ So könnte man das auch nennen, wenn du zur Polizei rennst, um ihm zu schaden, möchte ich böse erwidern, doch ich beherrsche mich. „Mondheim hat nie gesehen, was wirklich in mir steckt. Er hat mich immer nur als Ersatzmann gesehen und mich das spüren lassen. Das wirst du auch noch merken, Anne; Mondheim sieht eigentlich nur sich selbst. Alle anderen sind für ihn Schachfiguren, die er nach seinem Belieben verschiebt. Nur sollte er aufpassen, das Spiel nicht zu verlieren.“

„Was meinst du damit?“ hake ich ein. Deinar schnaubt. „Anne, stell dich nicht naiver, als du bist. Mondheim hat Dreck am Stecken, so wie jeder andere auch. Ich habe mich in der Pflicht gesehen, ihm Einhalt zu gebeten, aber es ist mir nicht gelungen. Nur, irgendwann einmal wird jemand kommen, der stärker ist als ich, und dann Gnade ihm Gott.“

Interessant, wie Deinar sich die Ereignisse der letzten Wochen zu seinem Vorteil zurechtgebogen hat, die ich ganz anders beurteile. Nun, vielleicht biege auch ich sie mir ein wenig zurecht, und die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, wie meistens im Leben. Aber es geht ja nicht nur darum, objektive Bewertungen abzugeben, es geht auch um Loyalität. Man verbindet sein Leben mit anderen Menschen, und deshalb stehen wir auch dort auf ihrer Seite, wo sie vielleicht nicht ganz so sehr recht haben, wie wir das glauben oder möchten.

Deinar beugt sich vor. „Noch ein letztes. Dieser kleine Vorfall am Dienstag – du nimmst mir das doch hoffentlich nicht übel?“

Aber nein, natürlich nicht; ich liebe es, wenn mir tagelang der Rücken wehtut und jedes Reiben des Stoffs mich zum Wahnsinn bringt. Apropos – diese kleine Unpässlichkeit ist in den letzten Tagen beinahe in Vergessenheit geraten, und inzwischen ist sie schon fast keine mehr. Deshalb kann ich beinahe aufrichtig sagen: „Nein, ist schon in Ordnung.“ Das stimmt sogar. Erstens habe ich die Prügel schließlich herausgefordert und den angestrebten Zweck damit erreicht, und zweitens hat mir das die mit Mondheim verbrachten Nächte eingetragen, die unseren Sturz in das Zusammensein so sehr beschleunigt haben, dass mir noch jetzt schwindelig wird davon.

„Ich bin eigentlich ganz froh, dass es mit dem Zirkel nicht geklappt hat,“ sinniert Deinar. „Das war der falsche Weg, das habe ich jetzt auch gemerkt. Es wird ein schweres Stück Arbeit werden, aber ich muss irgendwie mit diesen ganzen pubertären Wünschen in meinem Kopf fertig werden. Das ist doch alles nichts, was ich leben kann, eine Frau dominieren. Und im Prinzip möchte ich das auch gar nicht. Da ist nur irgendwo etwas hängen geblieben; etwas Unreifes. Jetzt wird es Zeit, mich meinem Alter entsprechend zu benehmen und das alles über Bord gehen zu lassen.“

Oje – also der nächste Versuch, gegen die ganz ureigenen Sehnsüchte anzuleben, die damit doch nicht totzukriegen sind. Nun, auch das ist eine Entscheidung. Sogar eine, die sehr viele treffen. Es auszuleben, jemanden zu beherrschen oder sich beherrschen zu lassen, das ist schwierig – also weg damit.

So selten, wie daraus wirklich glückliche Beziehungen entstehen, und damit meine ich eben keine flüchtigen Highlights, sondern echte Beziehungen, kann man ja auch sehr gut auf die Idee kommen, das sei die beste Lösung. Dumm nur, wenn der eigene Kopf sich dadurch nicht überzeugen lässt und immer wieder aufmuckt. Deinar sollte sich lieber das Rauchen abgewöhnen statt seine Neigung zum Spiel mit der Macht zu verleugnen – aber es ist nicht an mir, das laut zu kommentieren.

Nach einer halben Stunde steht er auf. Wir werden uns wahrscheinlich nicht wiedersehen. Wieder ein Abschied; ein Abschied von einem Menschen, und von dem, was mich mit ihm verbunden hat. Ich kann es nicht bedauern, dass es ein Abschied ist, und doch steigt ein wenig Wehmut auf.

Als sei es nicht genug, mich mit Deinar herumzuschlagen, habe ich nach dem Mittag auch noch ihre Stimme am Ohr.


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