Ein fieser Plan

14. Juli 2013

Auf seinen Wunsch trage ich schwarz. Hohe, flache Stiefel, Leggins, und darüber eine weite, schwarze Bluse. Ich komme mir vor wie ein Page, und es gefällt mir. Gustav Adolfs Page.

Es ist ein physischer Schock, ihn zu sehen. Seit Samstag haben wir nur miteinander telefoniert. Wie viel mehr er präsent ist, wenn ich nicht nur seine Stimme höre.

Ich kenne den Weg schon, ich kenne die Auffahrt, das Haus, den Eingang. Diesmal zieht Mondheim sich nicht um, bleibt im Anzug. Das erschreckt mich. Die Sache muss wirklich ernst sein, und er rechnet mit Konsequenzen.

Wir sind sehr früh. Im Flur vor dem Saal mit den Hufeisentischen begegnen wir Maibaum, der freundlich grüßt. Maibaum – wie lange ist das schon her! Mittlerweile kommt er mir vor wie ein guter alter Bekannter. Irgendwann war da mal etwas, das ich ihm nachtragen könnte, aber ich weiß es schon fast nicht mehr.

Mondheim sucht ohne Umschweife Jakob, mit mir im Schlepptau. Jakob, heute ohne Maske, begrüßt uns beide, dann bleibt sein Blick an meinem Hals hängen und verändert sich schlagartig. „Um Himmelswillen, Daniel!“ Mondheim hebt die Hände. „Ich weiß, ich weiß. Können wir diese Sache zuerst klären?“ Jakob sieht sich um, nimmt dann Mondheim beim Arm. „Lass uns ins Nebenzimmer gehen.“ Mondheim schüttelt den Kopf. „Danke, Mathias, aber das ist nicht nötig. Du sollst es nur möglich machen, dass die Angelegenheit vorgezogen wird. Das Reden übernehme ich schon.“

Jakob antwortet ihm und sieht dabei mich an. „Das ist kein Problem. Eigentlich sollte erst Deinar befragt werden, aber so wichtige Dinge gehen ja immer vor. Ich werde nur nicht verhindern können, dass Deinar bereits anwesend ist.“ „Das spielt keine Rolle,“ entgegnet Mondheim knapp.

Nun kommt Lange heran. Ich bereite mich auf einen Angriff vor, doch er scheint keinen zu planen. „Mondheim, gut dass wir uns noch sehen vor der Sitzung. Ich – ach, machen wir es kurz. Mitten hinein. Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen. Ebenso bei Frau Senreis.“

Mondheim gibt ihm die Hand. „Lange, Sie haben sich für einen Freund eingesetzt. Das Engagement kann ich grundsätzlich nur gutheißen, selbst wenn mir der Inhalt nicht gefällt.“ Lange reicht auch mir die Hand, und sieht das silberne Band. Seine Augen weiten sich, er pfeift durch die Zähne. „Meine Güte – ich fürchte, heute Abend wird es Ärger geben.“ Er wendet sich zurück zu Mondheim. „Mondheim, ganz gleich, was ich in Sachen Deinar gesagt habe – Sie wissen, dass ich ansonsten immer auf Ihrer Seite war, und daran hat sich nichts geändert.“ „Ich danke Ihnen,“ sagt Mondheim.

Mir ist schlecht. In welche Lage habe ich ihn da bloß gebracht? Die Reaktionen von Jakob und Lange zeigen mir noch deutlicher als seine eigene, das ist nichts, was ich auf die leichte Schulter nehmen kann. Nicht dass ich jemals in dieser Versuchung gestanden hätte.

Der Saal füllt sich mehr und mehr. Kommt es mir nur so vor, oder sind diesmal wirklich noch mehr Leute da als beim letzten Mal? Trotz meiner Angst erkenne ich einige Gesichter, von manchen weiß ich sogar Namen.

Wenige Minuten vor acht löst Lange sich aus unserer kleinen Gesprächsgruppe. Ich drehe mich um. Jemand, den ich nicht kenne, begleitet Deinar in den Raum. Ob er auch so aufgeregt ist, wie ich es letzte Woche war?

Alle nehmen Platz. Mondheim nimmt meinen Arm, steuert mich ans Kopfende des Hufeisens. Ganz auf der linken Ecke steht neben dem edleren Stuhl für ihn einer wie der, auf dem Deinar jetzt in der Mitte Platz nimmt mit Lange hinter ihm. Leder für die Mitglieder, Holz für die beiden Neulinge.

In diesem Augenblick bin ich gar nicht mehr böse auf Deinar. Ich bedauere die Entwicklung, die ihm Schmerzen bereitet hat, und ich hoffe sehr, wir werden irgendwann eine ruhige Basis finden, auf der wir uns begegnen können, ohne uns gegenseitig die Augen auszukratzen.

Jakob beginnt mit der Begrüßung. „Wir haben einen vollen Abend vor uns, meine lieben Freunde. Da sind unsere beiden neuen Schützlinge, die ihr erstes respektive ihr zweites Gespräch mit uns führen werden. Vorher jedoch müssen wir uns mit einer anderen, sehr ernsthaften Sache befassen, von der ich nur hoffen kann, dass wir alle sie mit Anstand ebenso angehen wie mit Korrektheit. Daniel?“

Mondheim steht auf. „Ich danke dir, Mathias, dass du mir Gelegenheit gibst, zuerst zu sprechen. Ich habe eine Verfehlung zu bekennen. Ihr alle wisst, ich begleite unseren neuen Schützling Anne Senreis, ich bereite sie auf die Initialisierung vor, und ich werde sie danach als Mentor begleiten. Ich …“ Er bricht ab, sieht zu Boden. Verstohlen berühre ich seine herabhängende Hand mit den Fingerspitzen. Er fasst zu, hält fest, atmet noch einmal tief. Dann fährt er fort. „Es sollte nicht passieren, ich weiß das. Nach den Regeln des Zirkels ist es mir verboten, die Vorbereitung auf einer persönlichen Ebene vorzunehmen. Aber – genau das ist geschehen.“ Er pausiert kurz. „Und ich stehe dazu. Anne trägt ein Halsband. Meines. Schon jetzt. Ich bedauere das nicht. Ich bedauere nur, dass in diesem Fall, das erste Mal, meine Gefühle und unsere Regeln im Widerstreit stehen. Ich habe mich für meine Gefühle entschieden, gegen die Regeln, und ich bitte darum, das nicht Anne anzulasten, sondern sie trotzdem aufzunehmen. Und ich bitte um eine angemessene Strafe für mein Fehlverhalten.“

Es herrscht Stille, als er zu Ende gekommen ist, ab und zu unterbrochen durch ein Raunen. Wieder spricht Jakob. „Ich will nicht verhehlen, dass hier ein ernsthafter Verstoß vorliegt; du weißt das selbst. In meinen Augen allerdings ist es einer, der entschuldbar ist und nicht zwingend zu Konsequenzen führen muss. Die Regel, die du erwähnt hast, die ist gedacht zum Schutz derjenigen, die sich unter die Fittiche eines Mentors begeben. Er soll diese ehrenvolle und schwerwiegende Aufgabe nicht zu seinem eigenen, persönlichen Vorteil ausnutzen. Bei dir liegt der Fall anders. Ich kenne Anne – und ich weiß, du hast sie nicht ausgenutzt, sondern ihr habt euch beide aus freiem Willen füreinander entschieden. Meiner Meinung nach spricht also nichts dagegen, die Sache auf sich beruhen zu lassen.“

Durch die Reihen kommt einiges an Zustimmung, aber einzelne, das sehe ich sehr wohl, sind damit nicht zufrieden. Ich würde so gerne etwas sagen, klarstellen, aber ich ahne, das würde alles nur noch schlimmer machen.

Mondheim neigt den Kopf in Richtung Jakob. „Mathias, ich danke dir für dein Verständnis, aber ich möchte keine Sonderbehandlung. Deshalb bitte ich um eine Strafe.“

Jakob beißt sich auf die Unterlippe. Er will nicht; es ist deutlich zu sehen, am liebsten würde er alles einfach so ad acta legen. Doch Mondheim hat recht. Wenn es keine Konsequenzen gibt, werden einige ihm das nachtragen. „Warum stimmen wir nicht ab?“ fragt einer von rechts. Jakob nickt, sichtlich erleichtert. „Gut, stimmen wir ab. Wer ist dafür, dass wir Mondheim die Strafe erlassen, weil er zwar gegen den Buchstaben, aber nicht gegen den Geist dieser Regel verstoßen hat?“ Viele, viele Arme gehen hoch, aber nicht alle. Jakob zählt nicht einmal. „Und die Gegenprobe. Wer besteht auf einer Bestrafung?“ Zwei Arme sind sofort oben, drei weitere folgen langsam, zögernd. Lange ist nicht dabei, auch sonst kein bekanntes Gesicht. Enthaltungen gibt es keine.

Ich beginne Erleichterung zu spüren, doch Mondheim bleibt fest. „Ich danke euch allen für euer Vertrauen, doch ich bestehe auf einer Strafe. Ich möchte die Angelegenheit wirklich geklärt haben, auch zur Zufriedenheit der fünf, die gegen mich gestimmt haben.“

Jakob seufzt. „Entschuldige, Daniel, aber du warst schon immer ein Sturkopf. Ich hätte es dir gerne erspart, aber vielleicht hast du recht und es ist besser so. Dann ist auch der letzte überzeugt, dass dein Verhalten keine weiteren Folgen haben muss.“ Er beugt sich zu der Frau rechts von ihm herab und bemerkt halblaut etwas, das ich nicht verstehe. Sie verlässt den Raum, geht in das Nebenzimmer, in dem ich beim letzten Mal war. Jakob setzt sich wieder, Mondheim bleibt stehen. Meine Finger drohen seine zu zerbrechen, so fest halte ich sie. Meinetwegen nimmt er das alles auf sich.

Wenn ich nur wüsste, was jetzt kommen wird. Und wenn ich nur wüsste, wo und wie ich eingreifen kann, ohne alles noch viel schrecklicher zu machen.

***

Die hauteng gekleidete Lederdame mit den Plateau-High Heels ist bald zurück. Sie trägt einen Holzkasten. Es braucht nicht viel Fantasie zu ahnen, was darinnen liegt. Sie trägt ihn zu Jakob, stellt ihn vor ihm auf den Tisch. Er öffnet ihn. Viel sehen kann ich nicht, aber ich weiß ja ohnehin, es wird eine Peitsche sein oder eine Reitgerte.

Wenn ich noch etwas erreichen will, muss ich jetzt etwas unternehmen, sonst ist es zu spät.

Abrupt stehe ich auf. Mondheims Arm will mich zurück auf den Stuhl zwingen, aber aus dieser Position heraus ist er nicht stark genug dafür. „Ich bitte darum, etwas sagen zu dürfen.“

Jakob sieht mich an. „Das ist sehr ungewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen. Hat jemand etwas dagegen, Anne kurz das Wort zu überlassen?“ Keiner widerspricht. „Bitte, Anne.“

„Ich danke Ihnen, sprechen zu dürfen. Ich bitte weiter darum, die Strafe nicht meinem Mentor aufzuerlegen, sondern mir. Es war und ist meine eigene, freie Entscheidung, das Halsband zu tragen. Die Entscheidung fällt nicht leicht, wenn die Regeln den Gefühlen entgegenstehen, aber sie ist gefallen. Ich bin es, die einen Verstoß begangen hat, und ich bin es darum auch, die bestraft werden muss.“

Alle sehen zu mir hin. Und ich kann nur beten, dass ich dem ersten Verstoß jetzt nicht gleich einen zweiten habe folgen lassen.

Mondheims Missbilligung spüre ich beinahe körperlich, noch bevor er leise und scharf meinen Namen sagt, aber dieses eine Mal kann und werde ich mich darüber hinwegsetzen.

Jakob reibt mit dem Zeigefinger über sein Kinn. Es ist gut, dass er keine Maske trägt; so kann ich seine Stimmung besser abschätzen. „Anne, ich muss gestehen, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Du unterstehst unseren Regeln noch nicht, und insofern können wir die Strafe gar nicht dir auferlegen. Andererseits folge ich dir insofern, als deine Entscheidung diejenige ist, die den Regelverstoß begründet hat, ebenso wie Daniels. Als dein Mentor wäre er jedoch verpflichtet, selbst dann die Strafe zu übernehmen, wenn allein du sie verdient hast. Nur gibt es Ausnahmen. Deine ernsthafte und aufrichtige Bitte ist etwas, das ich in jedem Fall erwägen muss. Deine Bitte ist doch ernsthaft und aufrichtig?“ „Ernsthaft und aufrichtig,“ bekräftige ich.

„Unter diesen Umständen bin ich geneigt,“ beschließt er, „ihr stattzugeben.“

Mondheim atmet heftig. „Darf ich etwas einwenden?“ „Nein, du darfst nicht, Daniel. Ich habe gehört, was du gesagt hast, ich habe gehört, was Anne beizutragen hat, und ich muss sagen, ihr Verhalten ist konsequent und ehrenhaft. Das verdient Anerkennung. Ich weiß, es ist schwer, eine Strafe als Anerkennung zu begreifen, aber in diesem Fall ist es eine. Und ich denke, Daniel, du siehst das ebenso.“

Langsam wird es konkret. Ein schweres Gewicht lastet auf meiner Brust. Aber ich denke nicht daran zu kneifen.

In meinem ganzen Leben habe ich noch keinen einzigen Schlag mit einer Peitsche abbekommen, und ich habe Angst. Furchtbare Angst. Vor dem Schmerz, vor der Demütigung. Gäbe es irgendeine Möglichkeit, beidem zu entgehen, ich würde aus voller Seele danach greifen. Aber es gibt nur zwei Wege – die Peitsche für mich, oder die Peitsche für Mondheim. Und der zweite Weg ist haushoch mit Brettern vernagelt und verschlossen.

Nun greift Jakob in den Kasten, und ich erschrecke doch, als er es herauszieht, das Werkzeug aus schwarzem Leder. Mehrsträngig und geflochten, mit Knoten an den Enden. Ein solches Folterinstrument hatte ich bisher nicht einmal aktiv eingesetzt. Das wird weiß Gott kein Spaziergang.

Ich will nicht – nein, ich will nicht! Noch kann ich zurück.

Nein; je mehr Furcht ich habe, desto eigensinniger bleibe ich jetzt stehen. „Daniel, darf ich dich als Annes Mentor nun um den Vollzug bitten?“

Das schwere Gewicht ruckelt, bewegt sich, polternd krachend herunter. Eigentlich müssten alle es hören. Er selbst, er selbst wird es tun! Das macht es noch immer nicht zu einem Lustwandel. Aber nun werde ich wissen, die Hand, die mich quälen wird, das ist seine, und sie wird gelenkt von einem Kopf und einem Herzen, in denen ich wohne.

Meine Augen werden feucht vor Erleichterung.

Plötzlich lässt eine Bassstimme mich erstarren. „Eine Strafe sollte ja wohl eine Strafe sein und keine Belohnung.“ Deinar.

Ein Blitz der Wut erhellt eine Erinnerung an einen Abend, an dem ich mir geschworen habe, es ihm heimzuzahlen, wie er mich behandelt hat. Rote Schleier vor meinen Augen verhindern, dass ich ihn deutlich sehen kann, und ein Impuls lässt mich reagieren, noch bevor irgendein anderer etwas sagen kann. „Dann übernimm du das; bei dir kann jeder sicher sein, es wird alles andere sein als eine Belohnung.“ Erstaunlich, wie kalt meine Worte sind, wo in mir doch die Hitze brodelt.

„Anne, nein,“ sagen Mondheim und Jakob fast gleichzeitig, und Lange sieht böse aus, zischt Deinar etwas zu, das ich nicht verstehen kann.

Deinar wehrt ihn mit einer Armbewegung ab. „Ich bin bereit dazu.“

Es wirkt, als hielten alle den Atem an. Zumindest sind sie wie gebannt von dem Schauspiel, das sich ihnen so unerwartet bietet.

Jakob schüttelt den Kopf. „Bitte – etwas mehr Ruhe. Was soll denn dieser Unsinn? Martin, ich muss dich rügen. Hier darf nur sprechen, wer Mitglied ist oder die ausdrückliche Erlaubnis dazu erhalten hat.“ „Dann bitte ich wie Anne darum, sprechen zu dürfen.“ Jakob wirft mir einen Blick zu. Ich kann seine Gedanken lesen. Er kann nicht anders – er muss Deinar gestatten zu reden, so wie er mich hat zu Wort kommen lassen. „Bitte – wenn du darauf bestehst. Aber ich warne dich. Was auch immer zwischen Anne und dir persönlich vorgefallen ist – hier zählen allein die Belange des Zirkels.“

„Und eben jene fordern doch ganz offensichtlich,“ erklärt Deinar, scheinbar unbeeindruckt von der Warnung, „dass eine Person die Strafe übernimmt, bei der damit zu rechnen ist, es wird auch tatsächlich eine werden. Es ist völlig unsinnig, genau demjenigen das zu übertragen, der sich ebenso mitschuldig gemacht hat an dem Regelverstoß, das schon einmal vorneweg, und der noch dazu mit Sicherheit peinlich genau darauf achten wird, alles nicht zu hart ausfallen zu lassen.“

„Es ist aber das Recht und die Pflicht eines Mentors, das zu übernehmen,“ widerspricht Jakob. „Ich denke, das sehen wir alle genauso.“ Zustimmendes Murmeln bestätigt es ihm.

Er überlegt kurz. „Anne, Daniel, Rainer, Martin, bitte kommt einen Moment mit in den Nebenraum.“

Mein Puls rast wie nach einem Dauerlauf.

Niemand setzt sich; wir bleiben stehen, alle fünf. Jakob beginnt sofort. „Martin, ich bin sehr verwundert über dein Verhalten, und ich kann es nicht gutheißen. Ich muss dir sagen, du benimmst dich in keiner Weise, wie es in Anbetracht deiner Position als Bewerber beim ersten Gespräch angemessen ist. Schon jetzt hast du für erhebliche Unruhe gesorgt. Das ist, seit ich im Zirkel bin, mit einem möglichen neuen Mitglied noch nie passiert.“

Er hebt das „möglichen“ so betont hervor, mir wird ganz anders.

In diesem Augenblick entsteht in meinem Kopf ein Plan. Ein mögliches Mitglied ist noch keines; und so streng und trickreich, wie hier jeder vor der Aufnahme geprüft wird, kann ich vielleicht dafür sorgen, dass er sich sein Ziel selbst verscherzt. Es muss mir nur gelingen, dass er sich danebenbenimmt. Das dürfte nicht allzu schwer zu erreichen sein, so sauer, wie er auf mich ist.

„Darf ich sprechen?“ frage ich. „Selbstverständlich,“ antwortet Jakob. „Wir befinden uns außerhalb der Sitzung, da binden uns die strengen Regeln nicht. „Ich möchte,“ erkläre ich langsam, laut und sicher, „ich möchte, dass Martin Deinar die Strafe vollzieht. Ich bedauere das außerordentlich, und ich kann versichern, ich habe große Angst davor. Aber mein Fehlverhalten hat die ganze unglückliche Situation heraufbeschworen, und ich bin die eigentliche Ursache der Unruhe, die Sie erwähnt haben. Nachdem sie nun einmal entstanden ist, sehe ich keinen anderen Weg, die Wellen zu glätten, als dass ich mich dem aussetze, was als Vorschlag auf dem Tisch liegt.“

Mondheim will etwas sagen, aber Jakob stoppt ihn mit einer Handbewegung. „Ich weiß, Daniel, ich weiß. Du bist dir sicher, Anne?“ Ich sehe ihn an, unsere Augen begegnen sich. Täusche ich mich, oder erhellen seine sich wirklich mit einem Anflug von Verständnis? Nein, seine Mundwinkel zucken; er ist in der Tat ein klein wenig amüsiert. Also hat er kapiert, was ich beabsichtige.

Ja, ich bin auf dem Kriegspfad. Es wird mich einiges kosten, aber ich werde diesem ganz unschmusigen Kuschelbär das Maul stopfen. Ich werde nicht zulassen, dass er weiter herumläuft und stänkert gegen mich und vor allem gegen Mondheim und womöglich irgendwann irgendwo mit seinen Giftereien durchdringt und Schaden anrichtet.

Hoffentlich läuft wirklich alles so, wie ich das haben will.

„Martin, überleg es dir gut,“ mahnt nun Lange. „Ich kann dir nur abraten. Und ich habe einen Kompromissvorschlag – ich könnte an Mondheims Stelle treten.“ Oh nein! Es ist lieb gemeint von ihm, und in diesem Augenblick vergesse ich, wie sehr er mich um Deinars Willen genervt hat, aber das passt mir nicht.

„Nein, Lange,“ lehnt Jakob ab, „ich danke Ihnen, aber das würde nichts lösen. Ich fürchte, es wird uns allen nichts anderes übrig bleiben, als Deinars Wunsch zu folgen. Ich bin Frau Senreis außerordentlich dankbar, dass sie es uns ermöglicht, die Angelegenheit auf diese Weise ins Reine zu bringen.“

„Ich werde das verhindern, und wenn ich dazu austreten muss!“ Mondheim ist blass.

Wenn ich ihm doch bloß erklären könnte, was ich vorhabe, welche Deinar-Falle ich gerade aufstelle! Wie kann ich ihn um Himmelswillen dazu bringen, es zuzulassen? Er versteht nicht, kann ja nicht verstehen.

In ihm muss es furchtbar aussehen bei dem Gedanken, was mir bevorsteht. Ich bin sicher, alles selbst zu ertragen, wäre für ihn hundertmal leichter, als bei meiner Bestrafung zuzusehen. Mir umgekehrt geht es ja ebenso.

Ich trete vor ihn, beuge den Kopf. „Ich bitte Sie, ich bitte Sie inständig, mir zu vertrauen und Ihr Einverständnis zu erklären, dass Martin Deinar meine Bestrafung übernimmt.“ Dann sehe ich hoch, versuche in meine Augen zu legen, was ich nicht in Worte fassen kann. Das kalte, warme Blau umfängt mich, versucht in meinem Graugrün zu lesen.

Endlich nickt er. „Gut. Aber ich werde ganz nahe dabei sein. Als dein Mentor steht mir das Recht zu, notfalls einzugreifen.“ „Selbstverständlich,“ versichert Jakob.

Okay – es kann losgehen. Alle meine Muskeln verkrampfen sich, aber ich bin wild entschlossen. Wild und entschlossen.

***

Die Unruhe der Auseinandersetzung wird gefolgt von einer ganz anderen.

Ich lerne, meine Auspeitschung wird im Saal stattfinden, vor allen anderen. Das ist nur ein kleines Steinchen mehr in dem zentnerschweren Sack, den mein Herz ohnehin mit sich schleppen muss; darauf kommt es auch nicht mehr an.

Aus dem zweiten Nebenzimmer, das ich noch nicht zu sehen bekommen habe, wird eine Art Strafbock aus braunem Leder mit Holzfüßen gerollt. Riesengroß erscheint mir das Gerät; sehr hoch, sehr breit, sehr lange. Es wird nicht quer aufgestellt, sondern längs, und dann kurbelt jemand, und eine Seite hebt sich. Es ist die Seite, an der zwei Schlaufen befestigt sind.

Mondheim tritt vor mich, zieht mir die Bluse aus, verdeckt mit seinem Körper meine Nacktheit vor den Blicken der anderen. Seine Hände sind eiskalt und zittern. Unvermittelt zieht er mich in seine Arme, küsst mich auf die Stirn. Dann führt er mich zur Urteilsstätte, beugt meinen Oberkörper über den Bock, so dass er ganz darauf aufliegt auf dem kalten Material, das mich schauern lässt, bis langsam meine eigene Körperwärme darauf übergreift, fasst nacheinander meine Hände, zieht sie in die Schlaufen, schließt diese.

Deinar steht bereit. Um uns herum sind Jakob und Lange, und dann ist da noch die Dame von vorhin, die inzwischen ein weiteres Kästchen geholt hat, eines mit einem roten Kreuz darauf. Ein kleiner Erste Hilfe Kasten. Wäre mir nicht so elend zumute, ich müsste glatt schmunzeln.

Alle anderen sind wieder auf ihrem Platz; wobei etliche stehen. Wahrscheinlich, um besser sehen zu können. Gut, dass ich alles nur aus den Augenwinkeln wahrnehmen kann. Mondheim, Jakob und Lange stellen sich vor mich, doch auch sie kann ich nicht richtig sehen, mein Kopf liegt auf der Seite, so dass meine Wange sich ans Leder schmiegt. Es ist fast, als umarme ich das Gerät, das mich festhalten wird, während etwas beißend auf meinem Rücken aufschlagen wird. 25 Mal, so hat man es mir gesagt.

„Bereit?“ fragt Jakob, und es klingt, als ob er aus einer Nebelwand spricht, die die Klarheit nimmt, die dämpft und verschluckt. „Bereit,“ flüstere ich, und „Bereit,“ sagt auch Deinar. Ein wenig unsicher klingt es; so, als habe er nun doch Angst vor der eigenen Courage bekommen.

Ich warte; warte, und die Sekundenbruchteile dehnen sich zu kleinen Ewigkeiten. Mein Atem kommt stoßweise.

Dann trifft der erste Schlag. Von links, und es ist, als ob jemand meine Haut aufreißt. Ich schreie auf, vor mir ist eine Bewegung, und schon kommt der zweite, von rechts, wie ein weiteres Messer. Der Schweinehund schlägt kreuzweise, und er schlägt nicht nur, er zieht die Enden über meinen Rücken. Schon vor dem dritten Schlag bin ich am Schluchzen. Es brennt, es brennt so höllisch.


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