Ein fieser Plan geht auf

19. Juli 2013

„Martin!“ sagt jemand böse, ich glaube, es ist Lange.

Nummer 4 und Nummer 5 fallen etwas sachter aus, aber ein kleines Feuer auf einem großen lindert keinen Brand, verstärkt ihn nur. Ich nehme mir fest vor, die Zähne zusammenzubeißen, keinen Laut von mir zu geben. Der sechste Schlag ist wieder fester. Ich stöhne. Der siebte trifft wie ein Rasiermesser, ich schreie erneut. Es hat keinen Sinn, ich werde es nicht schaffen, stumm zu bleiben. Ich habe keine Abwehr gegen Schmerz, ich hatte noch nie eine. Meine Finger schmerzen, so sehr sind sie verkrampft. Im Schreien kann Befreiung liegen, das merke ich, als ich bei der Nummer 8 schon schreie, noch bevor das Zischen sich in Beißen verwandelt.

Wie kann er das tun? Wie kann er das über sich bringen? Wir waren doch einmal beinahe befreundet!

Links, rechts, wieder links.

Der übergroße Schmerz erstickt sogar mein Schreien; der letzte Hieb war anders, irgendetwas war anders bei diesem letzten Schlag, und nun schreie ich doch, hebe den Kopf, verwandele meinen Körper in einen Bogen, und schon kommt er wieder, der Drache mit den scharfen Zähnen, die sich hineinschlagen, hineinbohren in meine Haut, hindurchdringen.

„Halt,“ brüllt einer, brüllen zwei, und auf einmal ist ein Stimmengewirr um mich herum.

Der Drache hat seine Zähne zurückgelassen, aber er selbst ist weg, er gibt mir eine Atempause. Ich weine hemmungslos.

Viele sagen etwas, doch ich höre nichts, nur ein Wort, meinen Namen, den Mondheim flüstert, während er die Schlaufen öffnet, meine Hände nimmt. Etwas landet kalt auf meinem Rücken, und es ist einen kurzen Augenblick beinahe schlimmer als die heißen Stränge der gefräßigen, unerbittlichen Peitsche.

„Ganz ruhig, ganz ruhig, Anne, es wird gleich besser,“ murmelt Mondheim. Ich lasse mich gegen das Leder sinken wie in eine Wolke hinein, die nachgibt, mich fallen lässt. Mir ist schlecht. Jetzt ist mir richtig schlecht. Ich muss, ich glaube, ich muss … „Ganz ruhig atmen, Luft holen, ein und aus, langsam, tief,“ erklärt mir die Stimme, an der ich mich orientiere in der nebeligen Welt um mich herum.

„Das waren noch keine 25,“ sage ich irgendwann. Eine warme Hand ist auf meiner Schulter, es ist nicht Mondheims, und dann sagt Jakob: „Es reicht. Es war mehr als genug, auch wenn es keine 25 waren. Du blutest.“

Etwas wird auf meinen Rücken gelegt, dann höre ich das typische Reißen von Textilband. Lange Streifen werden auf meinen Rücken geklebt.“

Eine Frau sagt: „Damit müssen Sie noch zum Arzt, aber fürs erste ist alles versorgt.“ Ob es diejenige ist, die die beiden Kästen geholt hat? Sie klingt so besorgt; aber so weh tut es gar nicht. Oder doch?

Stoff legt sich über mich. Am Geruch erkenne ich Mondheims Jackett. Orangenblüten … Viele Hände helfen mir auf, die Frau – ja, es ist tatsächlich die Dame mit den Plateaus – schließt ein paar Knöpfe am Jackett. Wo ist meine Bluse? Suchen sehe ich mich um. „Lassen Sie das mal an, Ihre Bluse kriegen Sie nachher wieder. Mondheim wird Sie jetzt zu einem Arzt fahren.“

„Na, der wird sich wundern,“ murmele ich, und ernte ein erstes Lachen, das die Spannung aufbricht, die auch mich umklammert hält. „Keine Angst – er kennt sich aus mit solchen Dingen,“ erwidert sie.

„Ach, passiert das öfter bei Bestrafungen?“ frage ich naiv. Ihre Stimme wird hart. „Nein, das passiert nicht öfter, und es tut mir ausgesprochen Leid, dass es bei Ihnen soweit gekommen ist. Man hätte das nie zulassen dürfen.“

„Wir müssen los,“ drängt Mondheim.

„Nein,“ protestiere ich, „das geht nicht. Es fehlt doch noch mein zweites Gespräch, und ich glaube, das habe ich mir verdient. So schlimm ist es gar nicht.“

„Es wird im Laufe der nächsten Stunden wesentlich schlimmer werden,“ klärt mich Jakob auf. Wie nett von ihm.

Wo ist eigentlich Deinar?

„Das ist mir egal,“ beharre ich. „Ein bisschen halte ich schon noch durch. Bitte – ich möchte es machen, dafür bin ich doch gekommen.“ Schon wieder stehen mir Tränen in den Augen. Elende Heulsuse! Verdammt, warum fällt es mir so schwer, mich zusammenzureißen?

Jakob klatscht in die Hände. „In Ordnung – beenden wir die Sitzung ordnungsgemäß. Jeder wieder an seinen Platz.“ Mondheim stützt mich, und auf dem endlos langen Weg um den linken Hufeisenschenkel herum merke ich, wie bitter nötig ich das habe. Verfluchte Scheiße – ich bin wohl keine besonders gute Sub, dass mir die zehn, elf Schläge oder wie viel das waren schon jede Selbstbeherrschung rauben und mich vorübergehend zum Krüppel machen. Ich werde noch viel lernen müssen.

Bevor ich mich setzen kann, herrscht ein wenig Chaos. An der linken Ecke. Was machen die bloß? Warum lassen die mich nicht endlich hinsetzen? Mondheim hält mich fest, sonst würde ich wie ein Stein zu Boden stürzen. Endlich sind die anderen weg.

Neben seinem Stuhl steht meiner, wie vorhin etwas abgerückt von dem Tisch. Aber es ist nicht der Holzstuhl, der vorher dort stand. Es ist einer aus Leder.

Schon wieder fange ich an zu heulen.

Mondheim lenkt mich auf den Stuhl. Zuerst lasse ich mich aufatmend zurücksinken, aber ein scharfer Schmerz lässt mich mit einem leisen Laut zusammenfahren. Er legt seinen Arm um meine Schulter, hält mich gegen sich. Ja, so geht es, so geht es gut.

Jakob hat wieder angefangen zu sprechen. Ich muss mich konzentrieren. Schließlich bin ich hier nicht allein mit Mondheim.

„Ich denke, ich sehe mich einig mit allen Anwesenden hier, wenn ich sage, Anne hat ihr zweites Gespräch mit Bravour hinter sich gebracht.“ Es wird laut; eine Mischung aus Klatschen und Fingerknöcheln gegen Tischflächen. Und schon wieder werden meine Augen – na, Sie wissen schon.

„Anne, ich freue mich ungeheuer, dir den Termin für deine Initialisierung mitteilen zu können. Und zwar wird sie am zweiten Wochenende im Juli sein, in etwas mehr als einer Woche. Alles weitere regeln wir später. Doch nun zur letzten Angelegenheit auf unserer Tagesordnung für diesen Abend, einer, die, das muss ich leider sagen, weit weniger erfreulich ist.“

Eine Weile lang herrscht Stille. Eine unangenehme Stille, von der ich heilfroh bin, dass sie sich nicht gegen mich wendet; zumal ich mit diesem elenden Brennen, das tatsächlich immer unangenehmer wird, mehr als genug zu tun habe. Diesmal bin nicht ich es, die alle ansehen, sondern Deinar auf seinem Stuhl in der Mitte, mit Lange hinter ihm.

Und nun höre ich Töne von Jakob, die ich ihm nie zugetraut hätte. Streng, böse. „Martin Deinar, ich bin enttäuscht. Enttäuscht und entsetzt. Ich habe Ihren Wünschen nachgegeben, die an sich nicht völlig unberechtigt waren, und ich mache mir schwerste Vorwürfe, Ihre wahren Hintergründe nicht durchschaut zu haben. Sie haben ein Rituell unseres Zirkels für einen persönlichen Rachefeldzug ausgenutzt, und Sie haben dabei gegen mehrere Regeln verstoßen, die ich jetzt nicht alle aufzählen will. Vor allem aber haben Sie den Ort, an dem wir unsere Strafen vollziehen, in ein Schlachtfeld verwandelt. Es ist Blut geflossen, und nur durch unser aller Eingreifen konnte verhindert werden, dass noch mehr geschieht. Es ist Ihre eigene Angelegenheit, wie weit Sie in Ihrem Privatleben gehen. Gegenüber einer Person jedoch, die nicht in einer irgendwie gearteten Beziehung zu Ihnen steht, verbietet es schon der allgemeine Anstand, derart brachiale Bestrafungsmethoden einzusetzen. Hinzu kommt, dass Sie sich an dem Schützling eines der unseren vergriffen haben, weit über den Rahmen dessen hinaus, was Ihnen gestattet war. Sie werden Daniel Mondheim entsprechend zur Verfügung stehen. Was nun aber den Zirkel betrifft, so kann ich unter diesen Umständen Ihr Aufnahmegesuch nicht länger befürworten.“

Er hält kurz inne, fährt dann fort. „Wir werden selbstverständlich eine korrekte Abstimmung herbeiführen und Sie von deren Ergebnis unterrichten; obwohl ich keinen Zweifel daran habe, wie es ausfallen wird. Rainer – du hast dich bereiterklärt, Martin Deinars Mentor zu werden. Gibt es etwas, das du mir sagen kannst, was mich überzeugen würde, trotz allem noch für seine Aufnahme zu stimmen?“

Lange sieht ausgesprochen unglücklich aus. Um seinetwillen wünsche ich beinahe, die Stimmung würde sich noch wenden. Aber nur beinahe. Deinar selbst wirkt starr, wie eine Puppe. Ob er wohl verstanden hat, was geschehen ist?

„Nein – ich … Es, es tut mir Leid,“ sagt Lange leise.

Sofort hakt Jakob ein, der fest entschlossen scheint, die Sitzung bald zu beenden. „Dann ist alles gesagt. Herr Deinar, Sie hören von uns. Ich danke allen, und bitte euch sehr, es nachzusehen, welchem unschönen Anblick wir heute Abend alle ausgesetzt waren. Aber lasst uns mit einer positiven Note enden – wir sehen uns wieder im Juli, und wir werden uns bemühen, bei dieser Feier vergessen zu lassen, was sich heute hier ereignet hat.“

Ringsherum scharren Stühle. Als ich das nächste Mal hinsehe, ist Deinar verschwunden, und mit ihm Lange. Für Lange tut es mir Leid, wirklich Leid.

Trotzdem sprudelt ein heißer Triumph in meiner Kehle. Ich habe es geschafft! Es war nur eine vage Hoffnung, aber ich hatte seine Stimmung und seine Reaktionen richtig vorausgeahnt. Ich kann nicht sagen, ich wusste, was passieren würde – aber ich habe es gehofft.

So, nun haben Sie es. Ja, ich bin ein fieses, intrigantes Miststück. Und ich bezahle dafür. Ich muss an meinen Rücken nur denken, und schon weiß ich, wie sehr ich dafür bezahle.

Jakob begleitet Mondheim und mich nach draußen. „Du weißt, Daniel, dass du dir ein kleines, hinterlistiges Biest eingefangen hast?“ bemerkt er.

Mondheim lacht. „Ist mir durchaus bekannt. Ich hoffe, du verzeihst mir Anne, dass ich nicht sofort kapiert habe, worauf du hinauswolltest. Ich gebe zu, ich war ein wenig abgelenkt. Es war …“ Er bricht ab.

Ich fürchte, für ihn war alles noch schlimmer als für mich. Ich muss mir ja nur vorstellen, ich hätte bei seiner Züchtigung zusehen müssen, um zu wissen, wie er gelitten hat. Und wenn überhaupt, dann weckt das, aber auch nur das einen ersten Anflug von Reue in mir.

Nein, ich mag mir das nicht vorstellen. Es wäre – schrecklich. Das zerreißt nicht die Haut auf dem Rücken und lässt sie bluten, das zerreißt die dünne Wand des Herzens.

***

Der Arzt, zu dem Mondheim mich fährt, nachdem er ihn vorher per Handy alarmiert hat, ist natürlich Teermann. Merkwürdig – auf der Versammlung habe ich ihn gar nicht gesehen. Warum er wohl weggeblieben ist?

Die Antwort ist ganz einfach – er hat Notdienst.

Vorsichtig nimmt er die behelfsmäßigen Verbände von meinem Rücken. Dann richtet er sich auf, stemmt die Hände in die Seiten. „Mondheim, verdammt noch mal, was soll das? Gerade von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie Ihre Werkzeuge besser beherrschen!“

„Nicht, Peter, er war es nicht,“ widerspreche ich. „Wenn er es nicht selbst war, dann hätte er es verhindern müssen,“ beharrt Teermann, und er klingt richtig zornig.

Ich versuche zu lächeln. „Das hat er versucht. Er wäre beinahe sogar aus dem Zirkel ausgetreten, um mir das zu ersparen. Aber glaub mir – wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, kann es sein, dass selbst mein Gebieter auf Granit beißt, wenn er es verhindern will.“

Teermann wirft Mondheim einen Blick zu, den ich nicht deuten kann. „Dann wird es Zeit, dass er anfängt, dich zu erziehen. Höchste Zeit!“ Er gibt mir eine Spritze, schmiert etwas auf meinen Rücken. Ich würde ja zu gerne sehen, wie das Teil aussieht, aber ich schäme mich, nach einem Spiegel zu fragen. Jedenfalls, so schlimm, wie es sich inzwischen anfühlt, kann es unmöglich sein. Dann kriege ich noch ein paar lose Tabletten und ein Rezept für weitere, falls nötig.

Mondheim wacht über mich wie ein Schießhund, hält meine Hand. Hoffentlich sind wir bald im Auto und wenigstens noch eine Weile allein miteinander.

„Die nächsten Tage bleibst du zu Hause,“ ordnet Teermann an. „Ich glaube nicht, dass mein Chef damit einverstanden ist,“ murre ich. „Dein Chef besteht darauf,“ brummt Mondheim. „Und wenn du es nicht freiwillig machst, werde ich dich am Bett festbinden!“ Es klingt fast so, als ob er es ernst meint.

Ich will nicht über morgen reden; ich will mich an Daniel schmiegen, von ihm festgehalten werden.

Eigentlich könnte ich jetzt meine geknüllte Bluse wieder anziehen, die ich in meiner Tasche verstaut habe. Es geht doch nichts über geräumige Handtaschen. Aber Daniels Jackett gefällt mir soviel besser. „Darf ich?“ frage ich. Er hüllt mich ein in den Stoff, der seinen Duft trägt.

Teermann befiehlt mir einen Wiederholungsbesuch in seiner Praxis am nächsten Tag, dann können wir gehen.

Wieder im Auto schweigen wir. Bei mir schlagen langsam Schock und Erschöpfung zu, und meine Haltung ist verkrampft, weil ich mich nicht anlehnen kann. Wie es Daniel geht, kann ich nur ahnen. Irgendwo ist da auch Wut, das ist das einzige, was ich weiß.

Wahrscheinlich ist er wütend auf mich. Kein Wunder; gleich mehrere Eigenmächtigkeiten habe ich mir heute Abend erlaubt.

„Es tut mir Leid,“ sage ich leise, mit der Hand auf seinem Arm. Er nimmt sie, führt sie gegen seine Lippen, die Augen weiter auf die Straße gerichtet. „Ich bin nicht auf dich zornig; falls du das glaubst. Du warst großartig. Und von allem anderen abgesehen hast du dem Zirkel einen riesengroßen Gefallen getan. Ich ärgere mich zum Teil über mich selbst. Nun kenne ich Deinar schon so viele Jahre und wusste gar nicht, wie viel – Bereitschaft zur Gewalt in ihm steckt, wenn etwas nicht so läuft, wie er das möchte. Gut, man sieht ihm an, er hat wesentlich mehr Temperament, als er normalerweise erkennen lässt, aber das – das heute Abend, das überschreitet sämtliche Grenzen. Woher wusstest du, dass er sich soweit gehen lassen würde?“

„Ich habe ihn ähnlich erlebt. Nicht so brutal – aber ähnlich überraschend hart und verletzend. Und ich bin eine Frau. Nein, damit meine ich jetzt nicht, ich weiß es besser als die Männer in seiner Umgebung. Es ist nur so, ich glaube, Deinar reagiert bei Frauen oft anders. Und über wen ärgerst du dich noch, außer über dich selbst?“

„Ich glaube kaum, dass ich dich damit jetzt behelligen sollte. Anne, du gehörst ins Bett.“

„Ich will aber darüber reden – und es geht doch nur auf der Fahrt! Ich verschwinde ja gleich im Bett, aber dann bist du nicht da!“ Schon wieder steigt diese verdammte kindische Feuchtigkeit hoch. Wir sind schon fast in meiner Straße.

Nun trifft mich doch ein Blick. „Du denkst hoffentlich nicht im Ernst, ich lasse dich heute Nacht allein!“

Ein kleiner Aufzug fährt an in meinem Bauch, arbeitet sich nach oben. „Du meinst …“ „Ich meine, dass du dir jetzt aussuchen musst, ob ich bei dir bleibe, oder du mit zu mir kommst. Oh, verfluchte Scheiße, ich dachte, ich sei schon zu alt für diese Spielchen! Höre, Anne, bei mir gibt es eine Haushälterin. Sie ist sehr diskret, sie wird dir keinerlei Fragen stellen, aber sie ist da, wenn etwas ist. Ich werde versuchen, soviel wie möglich abzusagen morgen, aber ich kann bestimmt nicht die ganze Zeit dableiben, und mir wäre es lieber, du bist nicht allein.“

Das Schwindelgefühl von der Aufzugfahrt hält an. Ich werde nicht allein sein, gleich, in wenigen Minuten.

Aber er ist wirklich sauer; auch auf mich – man merkt es seinem Tonfall an. Ich wusste es.

„Bist du einverstanden, wir holen nur ein paar Sachen bei dir, und dann brechen wir wieder auf?“

Mir fällt nichts Vernünftigeres ein, als wieder loszuheulen. Er parkt, nimmt mich in die Arme, aber etwas widerstrebend, linkisch. „Komm, lass uns gehen – ich will dich so schnell wie möglich bei mir haben.“ Mist, jetzt gehe ich ihm auch noch auf die Nerven. Ich muss mich zusammenreißen. Im Moment hat er die Elternrolle gegenüber einem kleinen hilflosen Kind übernommen. Ich bin gerade ein kleines, hilfloses Kind. Aber ich will nicht, dass er mich bevatert.

Es dauert nur fünf Minuten, bis ich ein paar Toilettensachen, neue Unterwäsche, Jeans, ein T-Shirt für morgen und eines zum Schlafen zusammengepackt habe.

Mondheim wartet im Flur. Die Schwingungen, die von ihm ausgehen, sind fast bedrohlich. Ich werde mich seinem Ärger noch stellen müssen. Ein kleines Fünkchen Neugier in mir brennt sogar darauf. Ich muss pervers sein. Na, das können wir ohnehin außer Zweifel stellen.

Er nimmt mir die kleine Tasche ab, stützt mich; fürsorglich. Es tut gut, aber es überdeckt die Spannung nicht.

Die Fahrt zu ihm vergeht schnell, obwohl wir kein Wort sprechen.

Der Weg in sein Zimmer ist lang. Viel zu lang. Ja, ich weiß, es ist ein Klischee zu sagen, ich breche gleich zusammen; aber ich fühle mich wirklich so.

Er schließt die Tür mit dem Schuh, lässt die Tasche fallen.

Noch bevor ich die Arme nach ihm ausstrecken kann, hat er mich an sich gerissen, bedeckt mein Gesicht mit Küssen, presst mich an sich, an den Schultern. Seine Stimme klingt, als sei er nicht weiter von Schluchzen entfernt als ich. „Anne, um Himmelswillen, Anne, ich hatte solche Angst um dich!“

Auf einmal macht er sich steif, distanziert sich. Ich möchte schreien wegen der plötzlichen Kälte, aber sie macht mich starr. „Du wusstest genau, dass Deinar ausflippen würde, du hast es selbst gesagt. Wie konntest du dich dann darauf einlassen?“

Jetzt ist sie da, seine Wut.

„Wie konntest du nur?“ wiederholt er. „Ein solches Risiko, und das offenen Auges!“

Nein, es ist eigentlich keine Wut, es ist Angst. Angst um mich. Eine Welle der Wärme schlägt über mir zusammen. „Ich konnte das, weil die Frau, die sich Daniel Mondheim unterwirft, mindestens ebenso unerschrocken und mutig und standhaft sein sollte wie er selbst.“

Oh Gott, das klingt kitschig, nicht wahr? Aber das hilft nichts; ich habe es so gesagt, und genauso meine ich es auch.

Im nächsten Augenblick ist die Stärke wieder verflogen, die mich vorübergehend aufgerichtet hat. „Bitte, sei nicht – seien Sie nicht böse auf mich!“ Meine Unterlippe zittert. Es tut mir Leid, aber da ist auch ein kleines Kind in mir, das will doch einfach nur getröstet werden, getröstet, beruhigt – und geliebt.

Er ist erschrocken. „Das bin ich nicht, Anne; wirklich nicht. Das darfst du nicht denken. Ich hatte nur Angst, solche Angst um dich – und ich glaube, ich bin es weit eher gewohnt, Zorn zu zeigen als Angst. Entschuldige – da stehe ich und rede, statt dich dorthin zu bringen, wohin du gehörst. Komm, ich zeige dir das Bad und mache alles zurecht.“

Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir bei ihm sind. Nein, nicht bei ihm – in ihrem Haus; seinem Haus und ihrem. Das heißt, er wird doch nicht bei mir sein, in der Nacht, sondern mich im Gästezimmer unterbringen. Enttäuschung macht mich stolpern.

Es geht durch eine Seitentür in einen kleinen Flur, von dem wieder zwei Türen abgehen. „Das ist das Bad,“ erklärt er und öffnet die nächstgelegene. „Innen ist ein Durchgang zu unserem Zimmer.“ Unser Zimmer? Das gemeinsame Schlafzimmer der beiden? Ich bleibe stehen. Keine zehn Pferde kriegen mich da rein!


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