Ein Vorschlag
Keuchend, schweißnass und völlig erschöpft lagen wir später eng nebeneinander auf dem Teppich, und da machte er mir den Vorschlag, wir sollten uns doch noch einen zweiten Mann hinzuholen in unser Sexleben, wenigstens für ab und zu.
Wie gesagt, ich war entsetzt, ich war traurig, und ich war verwirrt. Mehrere Wochen lang redete Ramon auf mich ein, und endlich hatte er mich davon überzeugt, dass ich mir diesen „dritten Mann“ – er hatte tatsächlich schon einen passenden Kandidaten gefunden – wenigstens unverbindlich einmal anzusehen bereit war.
Die Gelegenheit ergab sich schnell – es war die Silvesterparty, die ein Kollege von Ramon gab. Dort sollte ich Wolfgang kennenlernen. Und dabei passierte etwas, womit ich nie gerechnet hatte – ich verliebte mich auf Anhieb in Wolfgang, einen gutaussehenden Blonden mit einer guten Figur und einem Charakterkopf.
Ja, und kurz darauf erfolgte noch am Silvesterabend ein erstes Näherkommen zwischen Wolfgang und mir, oder vielmehr zwischen uns dreien, indem die Party für uns einen sehr frühen Abschluss fand.
Um elf flüsterte Ramon kurz mit unserem Gastgeber. Er kam zurück, Arm in Arm mit Wolfgang, verstohlen grinsend wie ein kleiner Junge beim Schuleschwänzen. „Es ist wirklich sehr, sehr schade, dass wir schon gehen müssen, weil es mir so plötzlich schlecht geworden ist“, bemerkte er in gespieltem Ernst.
Er wollte ersichtlich, dass wir das neue Jahr zu dritt begrüßten, und ich hatte nichts dagegen.
„Turm oder Sekt zuhause?“, fragte Ramon mich; der Turm, dort hatten wir uns sehr oft getroffen, bevor wir verheiratet waren, und auch nachher hatten wir diesen einsamen Ort mit einem halb verfallenen Turm auf einer Wiese draußen am Wald oft aufgesucht.
„Turm“, entschied ich ohne Zögern. Ich wollte Wolfgang erklären, was Ramon meinte, aber er sagte sofort: „Was es auch ist, ich mache bei allem mit.“
So fuhren wir zu dem versteckten Turm, zu dem Ramon mich das erste Mal bei unserem zweiten Treffen geführt hatte. An dem ich das erste Mal seine nackte Haut gespürt und seinen Schmerz gekostet hatte.
Erstaunlicherweise waren wir die einzigen dort.
Wir setzten uns auf eine Bank – zum Glück war es nicht kalt -, hielten uns an den Händen und schwiegen, lauschten den leisen Geräuschen der verzauberten Nacht und warteten auf die Kirchenglocken, die das neue Jahr einläuteten; begleitet vom Krachen und den bunten Blitzen des Feuerwerks.
Es war 2012.
Statt Sekt gab es einen Neujahrskuss von Ramon, und das war eine viel, viel bessere Begrüßung des neuen Jahres. Danach tauschten auch Ramon und Wolfgang einen Kuss, und neugierig beobachtete ich, wie sie ihn weit über das für einen freundschaftlichen Männerkuss übliche Maß hinaus ausdehnten.
Mir war schon klar gewesen, dass Ramon sich in diesen anderen Mann ein bisschen verknallt hatte. Sonst wäre er nie auf die Idee gekommen, dass wir es in Zukunft sexuell wenigstens ab und zu mal zu dritt treiben sollten. Und so gut, wie mir Wolfgang gefallen hatte, hatte ich ja auch gar nichts mehr dagegen.
Dann war ich an der Reihe. Wolfgang fasste mich bei den Schultern, war aber sichtlich unsicher. Was er bei Ramon nicht gewesen war. Endlich ergriff ich die Initiative und berührte seine Lippen mit meinen.
Sofort wurde sein Griff fester, was mir widerstrebte. Als dominante Frau bestimme ich gerne selbst, wie weit die Dinge mit einem Mann gehen; erobern lasse ich mich ungern, aber genauso fühlte sich Wolfgangs Griff an. Ich wehrte mich, machte mich steif, lehnte mich zurück. Er gab umgehend nach, ließ mich los.
Ramon trat neben uns, legte einen Arm um mich, den anderen um Wolfgang, und seine Berührung entzündete schließlich auch das Feuer zwischen Wolfgang und mir.
Zwischen Wolfgang und Ramon brannte es ja schon längst, das wusste ich.
In diesem Augenblick machte ich mir keinerlei Gedanken darüber, was daraus wohl werden sollte. Ich überlegte gar nicht, überließ mich einfach der prickelnden Lust, die durch meine Adern strömte, genoss die tiefe Verbindung zu Ramon, die auch nicht abriss, sogar enger wurde, als ich Wolfgang erneut küsste und unsere Zungen sich umspielten.
In manchen Augenblicken hatte ich in dieser Silvesternacht nicht einmal etwas dagegen gehabt, wenn wir es sofort, vielleicht sogar noch auf dieser Wiese, denn es war gar nicht kalt, vielleicht aber auch zuhause zu dritt miteinander getrieben hätten, doch so weit gingen die Dinge noch nicht.