Erste Ernüchterung
So, jetzt bin ich ja schon eine ganze Weile in London. Eigentlich läuft auch alles sehr gut – aber was mich ein bisschen unruhig macht ist, dass ich noch immer keinen richtigen Job gefunden habe.
Ich habe es natürlich auch nicht ganz leicht – in Deutschland hatte ich einfach eine kleine Nische gefunden, wo ich voll rein passte und mir einen gewissen minimalen Marktanteil sichern konnte, der zum Überleben reichte, mit meinen gebrauchten Computern. Außerdem hatte ich in meinen beiden Sklaven die perfekten Mitarbeiter. Das war so richtig eine Heimat für Quereinsteiger wie mich.
Hier werde ich so etwas wie in Deutschland nicht wieder hochziehen können. Zumal mir die Unterstützung fehlt; Phil ist ja kein Techniker, sondern Lehrer. Und auch wenn ich langsam immer mehr Freunde in London gewinne, zum Teil sogar unabhängig von Phil – da sind keine Computertechniker dazwischen.
Außerdem verstehe ich mich noch mit keinem gut genug, um mit ihm zusammen so eine Firma noch mal hochziehen zu können.
Die passenden Verbindungen und Kontakte, die ich in Deutschland so mühsam über die Jahre hinweg aufgebaut hatte fehlen mir hier natürlich ebenfalls. Das wäre nicht einfach, wieder von ganz von vorne anzufangen, sozusagen ganz bei null, und dann noch in einem fremden Land.
Ansonsten habe ich keinerlei Ausbildung oder Abschluss, die hier in England etwas zählen würden.
Das Einzige, was ich machen kann, sind Übersetzungen vom Deutschen ins Englische und umgekehrt. Da habe ich auch etliche Aufträge – aber ich bin eben auch kein ausgebildeter Übersetzer und der Markt für Translations ist überlaufen, gerade in Bezug auf Deutsch und Englisch.
Da stehen meine Chancen schlecht, dass ich da wirklich ein Bein an den Boden bekomme, in dem Bereich.
Das nervt mich etwas an.
Ich muss unbedingt etwas finden, womit ich mich beschäftigen kann. Ich kann hier nicht die ganze Zeit untätig sein, und ich brauche auch das Gefühl, dass ich meinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann.
Natürlich hätte Phil nichts dagegen, mich sozusagen zu ernähren. Aber ich hätte etwas dagegen, wenn er es täte. Ich bin kein Weibchen, das einen Ernährer sucht und braucht. Noch habe ich gewisse Rücklagen, ein bisschen was verdiene ich auch mit meinen Übersetzungen, und dass ich keine Miete zahlen muss dafür, dass ich hier wohne, das akzeptiere ich als Geschenk.
Immerhin halte ich dafür das Haus in Ordnung – soweit Phil das nicht selbst erledigen muss, wenn er bei unseren SM Rollenspielen als Putzsklave her hält … -, und ich übernehme die laufenden Ausgaben für Strom, Wasser, Groceries. Also Lebensmittel, Putzmittel und so weiter.
Ich fahre damit ganz gut, aber Phil ebenfalls; ich nutze ihn nicht finanziell aus; das ist mir wichtig.
Doch auf Dauer kann das nicht ganz die Lösung sein. Ich muss etwas finden, was mich beschäftigt. Ich muss Arbeit finden. Nur fehlt mir eine zündende Idee. Ich habe auch schon mit Phil darüber gesprochen.
Er versteht natürlich nicht so ganz, was mich stört; er ist der Meinung, ich könnte doch auch einfach glücklich meine weit gehend freien Tage genießen, was viele sich wünschen, aber so ein Typ Mensch bin ich nicht; ich brauche etwas zu tun. Er bemüht sich auch sehr, mir mehr Übersetzungen zu verschaffen – aber wie gesagt, der Markt ist überlaufen und ich habe kein Diplom.
Und auch wenn ich die englische Sprache jetzt schon fast so gut spreche wie ein Muttersprachler, nachdem ich mit Phil mehr und mehr Englisch rede, fast wie ein native speaker – die tieferen Feinheiten bleiben einem bei einer Fremdsprache oft verborgen, und wenn man sie noch so gut spricht.
Selbst wenn das meine Auftraggeber nicht stören würde – mich persönlich stört es. Nein, ich muss etwas anderes finden, eine Aufgabe, von der ich genau weiß, ich kann sie perfekt erfüllen.
Etwas, womit ich nicht nur Geld verdienen kann, sondern auch endlich wieder das Gefühl habe, ein vollwertiges, arbeitendes Mitglied der Bevölkerung zu sein … Das brauche ich einfach, sonst bin ich nicht ich selbst!