Feinschmecker
Damit euch die Zeit bis zu meiner Entscheidung für oder gegen O. als neuem Mailsklaven nicht allzu lange wird, habe ich heute wieder einmal eine Geschichte für euch.
Nur Vorsicht – sie ist natürlich auch wieder keine typische Erotikstory mit Friede, Freude, Eierkuchen (oder vielmehr Titten, Muschi, Schwanz und Ficken …). Dafür kommt jede Menge Romantik darin vor.
Aber ob es bei dieser Romantik bleibt? Lest selbst:
Er war so ganz anders als die anderen Männer, mit denen sie in ihrem Leben zu tun hatte. Gut sah er aus, klug war er, und reich noch dazu. Nicht wie viele, die diese Eigenschaften möglichst vollständig von ihren Frauen verlangten, um selbst besser darauf verzichten zu können.
Allein das hätte ihn schon zu einem der Lieblingskunden gemacht in dem Studio, in dem sie ab und zu Zofe spielte. Oder Sklavin. Oder auch, wenn Not am Mann war, einmal Domina. Es kam ihr nicht so sehr darauf an. Das war nur eine Rolle; hatte nichts zu tun mit ihren wirklichen Gefühlen.
Andere entschlossen sich, die Rolle der Sklavin in einem normalen Büro zu übernehmen; oder als Putzfrau in einem Haushalt, wenn sie nichts Vernünftiges gelernt hatten. So unfrei war sie nicht, wie sie dabei gewesen wäre. Außerdem verdiente sie viel mehr für erheblich weniger Arbeit. Dieser Job wie jede andere auch war in ihren Augen der beste aller möglichen, die ihr offen standen.
Natürlich hatte er seine Nachteile.
Die meisten Männer, die sie bedienen oder auspeitschen musste, je nach Auftrag der Herrin, waren alt, hässlich, fett. Zwar schon freundlich.
Wenigstens vorher. Wehe allerdings, ihre Wünsche wurden nicht erfüllt. Dann wurden selbst die demütigsten Sklaven oft genug sehr schnell zum erbarmungslosen Geschäftsmann, der mit schneidender Stimme einforderte, was es nicht in Frage zu stellen galt.
Auch schämten viele sich. Heimlich. So heimlich, dass es nicht einmal bis zum Eingeständnis der Scham reichte.
Umso vernichtender war ihr Urteil über die Frauen, die sich für das hergaben.
Lediglich die Herrin wagte trotz aller psychologischen Verkorkstheit in diesem Mechanismus keiner, als Mensch zweiter Klasse zu behandeln. Eher bewunderten sie sie; schließlich gelang es ihr, ihre Schwäche zu erkennen und aus der Bedienung dieser Schwäche ein funktionierendes Wirtschaftsimperium entstehen zu lassen.
Zu ihren Cocktailparties, gemeinsamen Theaterbesuchen, Firmenjubiläen würde auch die Herrin keiner einladen. Beraten allerdings ließen sie sich insofern gern von ihr, und sich später kleinlaut, reuig für ihre doppelzüngige Feigheit bestrafen.
Doch das alles kümmerte Sara nicht. Mit diesen Schichten über ihrer eigenen Tätigkeit, den Machtspielen, hatte sie nichts zu tun. Sie tat nur ihre Arbeit, und das gut. Wenigstens ein Bereich, in dem sie sich als erfolgreich bezeichnen durfte.
Privat sah es anders aus.
Seit ihr Mann sie verlassen hatte, nachdem er durch einen Zufall von der Art ihrer Arbeit erfuhr – er hatte sich nie darum gekümmert, was sie tat, immer nur verlangt, sie müsse Geld nach Hause bringen, um den Haushalt zu finanzieren, seine Trinkerei, seine Glücksspiele – hatte sie alle, die ihr gefielen, immer sofort aufgeklärt.
Mit dem Ergebnis, dass sie zumeist nichts mehr von ihr wissen wollten, entsetzt, empört das Weite suchten. Und fand sich doch einmal jemand, der seine Toleranz wie ein Fähnchen im Wind schwenkte, durfte sie sicher sein, es war dahinter ein Messer versteckt, das er ihr spätestens bei der ersten Unstimmigkeit in den Rücken rammte.
Es war nicht schwer, jemanden fürs Bett zu finden. Ihre enorme Ausstrahlung war nicht nur der Herrin offensichtlich. Bloß ihr Leben teilen, das wollte niemand.
Beinahe hatte sie sich daran gewöhnt, ihre Sehnsüchte akzeptiert als ein Teil ihres Lebens, nicht die Vorahnung einer zukünftigen Realität.
Bis er kam.
Als sie ihn das erste Mal sah, war er ans Andreaskreuz gefesselt. Ohne dass die unelegante Haltung die Perfektheit seiner Formen verbergen konnte. Sein Rücken war mit roten und weißen Stellen bedeckt, einige davon wulstig angeschwollen. Immer und immer wieder klatschte die Peitsche darauf herab.
Sein Gesicht sah sie nicht. Doch ihr fiel auf, er gab keinen Laut von sich.
Sie war nur in den Dungeon gekommen, die Herrin für ein dringendes Telefonat zu holen. Die Herrin liebte solche Unterbrechungen nicht; doch noch weniger liebte sie es, nicht informiert zu werden.
„Verdammt“, zischte sie. „Mach du weiter! Und keine Zimperlichkeiten. Hier geht es um das Echte. Den wahren Jakob sozusagen. Also nimm all deine Kraft zusammen.“
Gehorsam übernahm Sara die Peitsche. Aber sie zögerte, sie einzusetzen.
„Keine Angst“, sagte er da plötzlich. „Schlag ruhig zu. Sonst wird sie böse auf dich sein, und das möchte ich nicht.“
Seine Stimme berührte sie eigenartig. Angenehm und doch wie der kalte Schauer einer nahenden Katastrophe. Sie besann sich auf ihre Aufgabe.
„Solange ich in Vertretung der Herrin hier stehe, hast du mich zu siezen“, entgegnete sie hochmütig.
Ihr Handgelenk beschrieb ein paar schmerzhafte Achterschwünge in der Luft.
Er seufzte, und das ging ihr durch und durch. „Ah, welche Gefühle in dieser kleinen Bewegung! Ich liebe Ihre Art zu peitschen.“
Es machte sie verlegen, beschämt – und wütend. Wer war er, ihre Arbeit zu beurteilen? Wieso stöhnte, schrie er nicht? Sie beherrschte ihr Handwerk; und diesem speziellen Schwung der geknoteten Lederstränge hatte bisher noch keiner widerstanden. Verbissen machte sie weiter, und hatte doch nicht den kleinsten Fortschritt erzielt, als die Herrin zurückkam.
„Ich danke Ihnen“, sagte er leise, bevor sie sich zurückzog.
Am nächsten Tag kam ein Blumenstrauß für sie. Am Tag darauf eine Schachtel Pralinen, dann eine schlichte Brosche.
Sara behielt Blumen und Pralinen, bedankte sich dafür mit knappen Worten. Die Brosche schickte sie zurück.
Er entschuldigte sich dafür, zu weit gegangen zu sein, und lud sie für den Nachmittag ein in ein Café. Sie lehnte freundlich ab.
Er wiederholte die Einladung am Freitag darauf, diesmal allerdings für einen Theaterbesuch mit nachfolgendem Abendessen.
Er hatte vor, sich tatsächlich öffentlich mit ihr sehen zu lassen. Das reizte sie, und sie sagte zu. Er war den ganzen Abend über ausgesprochen charmant. Freundliche Worte überdeckten ihre Einsilbigkeit, die wiederum den Aufruhr in ihr verbergen sollte, nachdem sie das erste Mal in sein Gesicht gesehen hatte.
Es war nicht nur schön; es war auch beunruhigend. Seine Augen brannten, jede Linie seiner vollkommenen Züge schien hinzuführen zu ihnen.
Nur eine Ablenkung gab es; seine welligen, sanften, braunen Haare, etwas zu lang, die alles umrahmten.
Sie war es gewohnt, aller Augen auf sich zu ziehen; doch an diesem Abend lief sie außer Konkurrenz, wurde wahrgenommen allein als seine Begleiterin.
„Was sucht ein Mensch wie Sie in unserem Haus?“, fragte sie ihn nachher. „Sie haben es doch sicherlich nicht nötig, sich Liebe zu erkaufen.“
Er lachte und machte ihr einen Heiratsantrag.
„Es ging mir nicht um Liebe“, erklärte er. „Die würde ich ohnehin nicht finden im Umkreis der Herrin. Nein, Sie für mich gewinnen wollte ich. Und glauben Sie mir, es war gar nicht so einfach, den Anruf genau zur richtigen Zeit zu organisieren. Erst bei meinem dritten Besuch hat es geklappt.“
„Aber Sie kannten mich doch gar nicht!“
Seine dunklen Augen bohrten sich in ihre blauen, verschwanden darin und rissen hinter sich alles auf. Unmöglich würde es sein, diesen Widerhakenblick jemals wieder loszuwerden.
„Oh doch, meine Liebe, ich kannte Sie. Nur Sie kannten mich nicht, und das musste ich ändern. Aber bitte, lenken Sie nicht ab. Ich warte auf Ihre Antwort. Mein Leben hängt davon ab.“
Sie lachte gekünstelt, verlegen. „Meine Antwort worauf? Sie meinen sicher nicht den Antrag, den Sie mir gemacht haben, oder? Den hatte ich als Scherz aufgefasst.“
Hart fasste er ihre Hand. „Ich scherze nicht. Und zumal damit ist es mir ernst. Todernst. Ich brauche Sie, um überleben zu können. Ich kann ohne Sie nicht leben.“
Viel zu schnell ging ihr das alles; sie fühlte sich unbehaglich.
„Was ist so Besonderes an mir? Ich bin nur ein absoluter Durchschnittsmensch. Mein Ex-Mann hat mir das oft vorgeworfen. Das einzig Interessante an mir sei meine seltene Blutgruppe, hat er einmal auf einer Party ganz laut verkündet. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt.“
„Denken Sie nicht mehr an ihn.“
An diesem Abend drängte er nicht mehr. Doch in den Wochen darauf machte er ihr den Hof; förmlich, altmodisch, zurückhaltend. Nicht einmal einen Kuss forderte er, während er sie mit Geschenken und Einladungen überhäufte. Er kam ihr körperlich nicht näher; nahm nur ab und zu, wie beim ersten Mal, ihre Hand.
Eines fiel ihr auf.
Sie hatte ihn noch nie lächeln sehen oder gar lachen hören. Er schien ein furchtbar ernster Mensch zu sein; und er meinte es mit ihr furchtbar ernst.
Wider Willen beeindruckte es sie.
Er zeigte ihr, wonach sie immer gesucht hatte; er sah sie, nur sie, als Mensch, wollte sie, wie sie war. Er suchte nicht den Ernährer, nicht die erfinderische Geliebte, versteckt vor den Augen der Welt. Ganz wollte er sie. Und öffentlich.
Seine Beharrlichkeit ließ die Dämme in ihr weichen, an den ersten Stellen brechen und schließlich endgültig nachgeben.
An einem Sonntag Abend sagte sie ja. Seine sprechenden Augen strahlten, auch wenn die Winkel seines vollen Mundes nicht einmal zuckten, und endlich nahm er sie das erste Mal in seine Arme.
So neu war ihr alles, diese Aufmerksamkeit, diese Rücksicht, dieses Geben. Diese Liebe. Liebe; nicht Versorgung, nicht Sex.
Auch während der vielen Wochen der Vorbereitung auf die Hochzeitsfeier konnte sie sich nicht daran gewöhnen.
Langsam, leise, machte sie erste erotische, körperliche Vorstöße über die sanften Umarmungen hinaus. Jedes Mal lehnte er zärtlich, aber bestimmt ab. „Lass uns warten bis zur Hochzeitsnacht,“ erklärte er ihr weich. „Erst dann will ich es, und dann werde ich es auch – dich ganz besitzen.“
Wie im Fluge verging die Zeit.
Dann war es soweit. In einer Art Betäubung verbrachte Sara den großen Tag. So lange hatte sie darauf hingelebt, dass sie ihn, als er kam, nicht mehr aufnehmen konnte, zu voll waren ihre Gedanken mit Erwartung.
Noch während die anderen Gäste feierten, brachte er sie hinaus zum Hintereingang des Hotels, in dem der Empfang stattfand, und sie fuhren die kurze Strecke bis zu seinem Wochenendhaus am See in der Nähe.
Sie wagte es nicht, ihn zu berühren, stand nachher bleich da, schüchtern, scheu wie eine Jungfrau, als er die vielen Haken ihres Kleides löste, den Reißverschluss an der Seite, ihre Haut streichelte, die zum Vorschein kam, sie hochhob, zum Bett trug. „Soll ich das Licht löschen?“ fragte er.
Sara schüttelte den Kopf. „Nein. Ich möchte dich sehen.“
Er beugte sich über sie.
Und sie sah es.
Sah, wie sich zum ersten Mal seine Lippen auseinander zogen, aber nicht zu einem Lächeln; sah, erstarrt, wie die langen, spitzen Eckzähne aufblitzten, und sich näherten, unaufhaltsam, ihrem Hals.