Fettnäpfchen
„Was ist los?“ fragt er, sieht mich an, versteht nicht. Dann schließt er kurz die Augen. „Meine Frau?“ Ich kann nur nicken, nichts antworten. „Für wie taktlos hältst du mich, Anne? Wir haben getrennte Schlafzimmer. Das hier ist meines. Mit unser meinte ich uns beide.“
„Ich – es tut mir Leid. Ich glaube, ich sollte heute Abend nichts mehr sagen; ich scheine ein bemerkenswertes Talent für Fettnäpfchen zu entwickeln.“
Er lächelt. „Kein Wunder – du musst völlig durcheinander sein. Und ganz unschmerzhaft fühlt sich dein Rücken bestimmt nicht an. Ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss. Ich bin so aufgewühlt, und statt dich in Ruhe zu lassen, ins Bett zu packen und festzuhalten, verlange ich von dir hochgeistige Konversation. Hast du eigentlich noch Hunger?“ „Nein, aber vielleicht … Wenn es nicht zuviel ist …“ Himmel, warum kann ich nicht einfach um einen Tee bitten? „Etwas Heißes zu trinken?“ errät er meinen Wunsch. Dankbar bejahe ich. „Ich bin gleich wieder da. Deine Sachen stelle ich ins Zimmer. In unser Schlafzimmer,“ betont er.
Und dann bin ich allein in einem hell gekachelten Bad mit viel Dunkelblau. Ein blauer Streifen an der Wand, blaue Handtücher, blaue Teppiche.
Zuerst ziehe ich sein Jackett aus, lege es ordentlich über einen Stuhl, und stelle mich vor den Spiegel. Aber da kann ich mich wenden, soviel ich will – es ist nichts zu sehen außer viel mit Weiß festgeklebtem Weiß. Hätte ich doch bei Teermann nach einem Spiegel fragen sollen.
Vorsichtig öffne ich die zweite Tür, die aus dem Raum abgeht. Ja, das ist ein reines Männerschlafzimmer, stelle ich aufatmend fest. Schrank, Bett, Nachttisch, Kommode – aus. Kein Schnickschnack, alles ganz nüchtern. Freie Wände. Und es liegt nichts herum außer einem Wochenmagazin auf dem Nachttisch.
Ich öffne meine Tasche, hole den Kulturbeutel heraus. Aufs Klo gehen, Zähne putzen. Das bisschen Schminke mit Creme beseitigen, was von dem Wenigen, das ohnehin nur da war, übrig geblieben ist. Morgen früh wird Daniel mich das erste Mal ungeschminkt sehen. Ein wenig waschen. Es tut weh, wenn ich mich bewege. Schlafshirt anziehen, Haare kämmen.
Fast gleichzeitig treffen wir aus zwei verschiedenen Richtungen im Schlafzimmer ein. Wir sind beide verlegen. Nur ein paar Schlucke Tee nehme ich, um die Tablette hinunterzuspülen, die er mir gibt.
Danach steckt er mich ins Bett, auf die Seite, deckt mich zu, greift sich den Schlafanzug vom zweiten Kissen, verschwindet ebenfalls im Bad.
Nein, ich muss mich doch auf den Bauch legen, das ist weniger unangenehm. Den Kopf habe ich der leeren Bettseite zugewandt, die nicht lange leer bleiben wird. Wenn das meine Belohnung ist, eine ganze Nacht lang ihn in meiner Nähe haben, dann sind meine kleinen Verletzungen nichts, was ich bedauern kann. So ungewohnt auch alles ist.
Lust steigt in mir auf, noch bevor die Matratze sich unter ihm bewegt, ich drehe mich doch wieder auf die Seite, und dann spüre ich ihn, seinen Körper gegen meinen. Seine Erregung.
Er ist noch nicht zufrieden, dreht sich und zieht mich mit, bis ich auf ihm liege, auf ihm laste, bis nichts mehr zwischen uns ist, jeder Zentimeter meiner Vorderseite ihn berührt. Sein Stöhnen erstickt meines.
„Anne,“ sagt er leise, „auch ich werde dich schlagen. Bald. Aber es wird nichts damit zu tun haben, was Deinar heute mit dir gemacht hat.“ „Ich weiß,“ flüstere ich. „Ich weiß. Als es hieß, du übernimmst die Peitsche, habe ich mich fast darauf gefreut. Entschuldige – als es hieß, dass Sie …“ „Stopp,“ unterbricht er mich. „Kein Sie. Wir sind Kampfgefährten, meine starke Partnerin – und heute Abend nichts anderes.“
Die Tablette wirkt. Nein; wahrscheinlich ist es eher die Medizin seiner Zärtlichkeit.
Viel zu schnell kommt der Schlaf, dabei möchte ich doch so gerne …
***
Es wird eine schreckliche, eine wunderbare Nacht. Immer wieder werde ich halb wach, ganz wach, und es tut weh. Daniel hat keine Ruhe. Wie auch immer er das macht, jede Bewegung von mir, jeder leise Laut ruft ihn auf den Plan. Die Schmerzen und seine Anwesenheit verschmelzen zu einem Ganzen, aus dem ich nie wieder auftauchen möchte.
Nein, ich bin nicht schmerzgeil. Das dürfte man ja gemerkt haben. Aber wenn es sein muss, halte ich eine Menge aus. Und wenn etwas so Schönes wie Daniel Atem gegen meine Wange, seine Hände auf meinen Schultern, das Heben seines Brustkorbs gegen meinen die Konsequenzen davon sind, dass es mir schlecht geht, dann muss sich das gar nicht bessern.
Irgendwann gelingt es mir endlich, ganz still und stumm zu sein, als mich erneut ein unerträglich dumpfes Brennen aus dem unruhigen Schlaf holt. Es muss schon beinahe Morgen sein; draußen zeigt sich ein erster Silberschimmer. Ich liebe es, bei offenem Fenster zu schlafen. Wie gut, dass es hier eines gibt. Es gab nicht einmal eine Diskussion darüber, keine Frage, nur einen Blick von ihm und mein Nicken von mir. Ich freue mich wie ein Kind an dieser kleinen Übereinstimmung.
Der neue Tag dringt mehr und mehr hinein, und ich liege auf der Seite, kann endlich in aller Ruhe ihn ansehen, der mir zugewandt schläft.
Die Nachtwelt der Träume macht sein Gesicht weicher, als es das tagsüber ist. Ohne seine Härte vollständig verbergen zu können.
Diese Härte, von der ich möchte, dass er sie irgendwann, bald, sehr bald, zu unserer Lust, seiner und meiner, auch einmal mir gegenüber anwendet.
Es wird Zeit, dass ich meine devote Rolle bei ihm ernst nehme und ausübe.
Gestern Abend, das war nötig. Auch für ihn. Und ich werde mich nicht ändern – ich bin und bleibe ein kratzbürstiges, eigensinniges, eigenwilliges Biest, und ich werde nie, nie, nie das aufgeben, was mich selbst ausmacht. Denn damit würde ich nicht nur mich verlieren, sondern auch ihn.
Ein hilfloses Staunen packt mich bei dem Gedanken daran, dass er genau das will, mich – so, wie ich bin. Er will mich nicht ändern. Selten genug, dass jemand einen anderen einfach sein lassen kann. Dass er nicht sagt, ich mag dich, aber – du solltest dies und das und jenes an dir ändern, denn erst dann kann ich dich vollkommen lieben. Dass er nicht eine Projektion der eigenen Wünsche in den fremden Gesichtszügen sucht, die eigene Bequemlichkeit zum Maßstab von gut und schlecht bestimmter Verhaltensweisen macht.
Er sagt nicht, ich mag dich Anne, aber du solltest ein bisschen weniger stur sein. Oder ein bisschen ruhiger, ein bisschen weniger chaotisch, ein bisschen geschliffener in deinen Umgangsformen.
So wie ich nicht sage, ich mag dich, Daniel, aber mir wäre es lieber, du wärst nicht verheiratet und nicht so skrupellos in deinen Geschäften.
Und weil er mich sein lässt, wie ich bin, wird er mich beherrschen können, wenn er das will. Oh, ich hoffe so sehr, dass er es will. Wir haben beide bewiesen, sein Wille und meiner, die geben sich nichts. Da mögen wir an noch so unterschiedlichen Stellen stehen – ich weiß, ich könnte die Klingen kreuzen mit ihm. Vielleicht nicht gewinnen gegen ihn, denn dafür ist es auch wichtig, wo man steht. Aber in einem fairen Kampf hätte ich gute Chancen.
Und ich möchte sehen, wie er diese Stärke nimmt, seinen Willen, wie er meinen damit liebevoll beugt und mich ihm freiwillig den Sieg schenken lässt.
Den Sieg, der für ihn nur deshalb ein Geschenk ist, weil ich ihn ebenfalls will. Weil ich nicht in allen Punkten besiegt, zornig, böse, entsetzt über die eigene Schwäche am Boden liege, sondern weil ich vor ihm knien will.
Ich liebe auch seine Unsicherheit; das ist sein Geschenk an mich, das er mir nun schon einige Male gemacht hat. Meine Seele weitet sich, wenn er schwach ist in manchen Situationen, will ihn aufnehmen, ihn vollständig einhüllen, beschützen, und gleichzeitig genießen, dass er es meinetwegen ist. Partnerin sein möchte ich für seine Schwäche, oder auch die Stärkere, die Kraft für beide hat. Und in seiner Stärke möchte ich baden. Mich ihr ausliefern.
Manchmal versuche ich, eine Bilanz zu ziehen der letzten Wochen. Ich kann es nicht. Es lässt sich nicht einordnen, etikettieren, in ein kleines Kästchen packen und wegschließen.
Ich will es leben – nicht definieren.
Natürlich sind da auch Gedanken an die Zukunft. Das Wissen darum, da ist nichts sicher. Nicht einmal für die nächsten drei Monate ab dem Wochenende in einer Woche, die er als mein Mentor für mich zuständig sein wird. Oh, er wird seine Pflicht tun, gewiss, und mehr als das. Er wird anständig sein, er wird mich einführen, anleiten. Darauf kann ich mich verlassen. Aber ich kann mich nicht darauf verlassen, dass es mehr ist. Mehr bleibt. Gefühle unterliegen keinen Anstandsregeln; nur das Verhalten tut es. Das macht das Leben angenehm und leichter, wenn jemand sich daran orientiert. Aber das macht es nicht tief. Das können nur die ganzen Dinge erreichen, die noch der stärkste Mensch nicht zwingen kann, und auf die man keinen Einfluss hat.
Davor habe ich Angst.
Und – ja, muss ich das erwähnen? Seine Frau. Die ist wie ein dunkler Schatten am Rand, und ich weiß genau, nur aus meiner Sichtweise steht sie dort statt in der Mitte. Nicht aus seiner, und nicht aus der der anderen.
Ich schäme mich nicht meiner überschäumenden, beinahe kindisch-reinen Freude, als er so selbstverständlich die getrennten Schlafzimmer erwähnte. Allerdings bin ich nicht kindisch genug zu übersehen, das ist nur ein kleiner Teil der Geschichte.
Weiß sie, dass ich heute hier in ihrem Haus bin? Weiß sie, dass es mich nicht nur gibt, sondern dass ich ihm viel näher bin, als es die simple Angestelltenposition vermuten lässt?
Wie sind sie zueinander, Daniel und seine Frau, und was sind sie füreinander? Sie scheint nicht Mitglied des Zirkels zu sein. Warum nicht? Was teilt sie mit ihm, außer seinem Ansehen und seinem Geld? Oder ist es ihr Geld, das ihn groß gemacht hat?
Ich muss aufpassen, dass sie für mich nicht zum Feindbild wird. Nicht sie ist es, die mir wegnehmen kann, was im Moment mein Leben wärmt, sondern nur er. Selbst wenn sie zu meinem Feind wird – und dass wir beide uns nicht mögen, war ja von der ersten Begegnung an unübersehbar -, ich muss es trennen, sie als Schatten auf meinen Sonnenstrahlen, und sie als Mensch. Als Mensch; als ein Mensch, den ich nicht mag, zugegeben, aber als ein Mensch, der mein Leben nur durch einen Zufall berührt und nicht, weil er mich vernichten will. Wenn sie mich bekämpft, dann nur, weil in ihren Augen ich sie angreife und ihr etwas wegnehme. Ja, das tue ich, und das will ich. Deshalb sind wir vielleicht tatsächlich Feinde. Sie hält eine Stellung besetzt, die in meine Freude hineinregiert, und ich reiße ihr etwas aus den Händen, was in ihren Augen und in denen der Gesellschaft um uns herum eigentlich ihr gehören sollte.
Aber sie als Mensch muss für mich unantastbar sein, denn sie ist – seine Frau.
Er bewegt sich ein wenig, und das sammelt all meine zerstreuten, wandernden Gedanken. Wie schön es ist, ihn anzusehen. Es zu genießen, wie er sich ausruht und mich dabei zusehen lässt.
Weil meine Augen seinem Arm folgen, der auf meiner Hüfte liegt, verpasse ich den Augenblick, in dem seine sich öffnen. Als ich zu seinem Gesicht zurückkehre, sieht er mich an und lächelt. „Wie geht es dir?“
Ich schwebe auf Wolke 7, möchte ich antworten, doch das ist gar zu klischeehaft. „Ich habe eine wunderschöne Nacht hinter mir,“ sage ich stattdessen.
Seine Finger schleichen sich unter die Decke, zeichnen die Umrisse meiner Taille nach. Auch der dünne Stoff des T-Shirts ist ihnen zuviel, sie schieben es beiseite. Erst ist da nur Wärme, die sich ausdehnt, aber dann entsteht das erste Prickeln, und als er meine Brüste berührt, sanft, ganz sanft, die Rundungen ertastet, da spüre ich schon unverkennbar das gewisse Ziehen.
Noch weiß ich nicht, ist es Daniel, der mit meiner erwachenden Lust spielt, oder ist es mein Gebieter. Darf ich ihn berühren, oder ist es Zurückhaltung, die verlangt ist.
Ich werde es herausfinden. Er wird es mir sagen.
Er hat recht, es ist zuviel Stoff zwischen uns. Ich richte mich auf, drücke ihn auf den Rücken, öffne die Knöpfe der Schlafanzugjacke.
Und auf einmal weiß ich, wie ich beides verbinden kann – meine Erregung, die danach drängt, ihn zu tasten, zu riechen, zu schmecken, nicht bewegungslos zu verharren unter seinen Händen, seinen Lippen, seiner Zunge, und meinen Wunsch, ihm zu dienen.
Ist es ein Dienen, wenn ich seine Lust aufspüre, sie ans Licht hole, reize, verstärke, und ihn auf dem Weg begleite, der höher führt und immer höher, bis zu dem leisen, beinahe jammernden Laut, der sein Aufbäumen begleitet? Kann etwas Dienen sein, das meine eigene Erregung so sehr vertieft, betont, und das mich mit soviel Freude füllt, mich ausfüllt?
Eine Weile lang liege ich auf ihm, küsse seine geschlossenen Augenlider, beschütze seine Wehrlosigkeit in diesem intimsten aller Augenblicke.
Langsam atmet er wieder ruhiger. Er fasst mein Gesicht, küsst mich, begegnet auf meiner Zunge seinem eigenen salzigen Geschmack.
Dann suchen seine Finger meine feuchte, geschwollene Schwere. „Wirst du warten können, Anne?“
Kann ich es, warten?
Ich bin eine Frau – aber ich bin es gewohnt gewesen, sehr zielstrebig auch den eigenen Höhepunkt anzugehen. Notfalls allein.
„Ich kann warten, mein Gebieter,“ sage ich, und meine Stimme versagt beinahe, als ich ihm meine Nichtbefriedigung zum Geschenk mache.
Ich liebe ihn. Ich kann es noch nicht sagen, aber es ist so.
***
Rasch bricht mit Gewalt der Alltag ein. Es ist halb sechs – anscheinend die Zeit, in der er meistens aufsteht.
Ich würde gerne duschen, aber wie soll das gehen mit den Verbänden? Als er angezogen ist und geht, sich um das Frühstück zu kümmern, versuche ich es. Immer schön den Rücken weghalten vom Strahl, und fürs Haare waschen den Kopf vorbeugen. Gar nicht einfach, und es tut weh.
Er holt mich ab, führt mich ins Erdgeschoss, in eine riesengroße Küche, in der jemand wirtschaftet. Mir ist unbehaglich zumute. Ich fühle mich fehl am Platz. Er hat mir angeboten, mir das Frühstück ans Bett zu bringen, aber natürlich habe ich abgelehnt. Ich bin nun einmal in seinem Haus, und ich kann mich vor den Konsequenzen nicht unter der Decke verkriechen.
Sie dreht sich um, als wir kommen. Sie sieht streng aus, mit dunklen, graudurchzogenen Haaren, in einem Knoten gefasst, einer Brille. Sie trägt normale Kleidung. Kein schwarzes Kleid, kein Haushälterinnenschürzchen.
„Frau Hoffmann, Frau Senreis,“ stellt er uns einander vor. Ich möchte im Erdboden versinken, doch ich gebe mir einen Ruck, reiche ihr die Hand. Ob sie wohl oft Frauen am Morgen begrüßen muss, die die Nacht mit ihrem Arbeitgeber verbracht haben?
Und wie, verdammt noch mal, verhält man sich in einer solchen Situation? Ich bin ein Eindringling in ihrem Reich.
„Na, Sie sehen ja nicht gerade erholt aus,“ sagt sie zu mir, und gleich geht es mir besser. Anscheinend hat sie dieselbe Kodderschnauze wie Mondheim. Wahrscheinlich hat er sie deshalb ausgesucht. “ „Immerhin können Sie mir daran nicht die Schuld geben,“ bemerkt Mondheim. „Von wegen,“ erwidert sie. „Hätten Sie halt besser auf Sie aufpassen müssen! Wie kann man nur! Hatte ich Sie nicht immer gewarnt, was Deinar betrifft?“ Aha – Offenheit scheint hier die Devise zu sein. Sie weiß ersichtlich Bescheid, zumindest in groben Zügen.
„Haben Sie, haben Sie,“ bestätigt er. „Anscheinend haben Frauen den besseren Blick in Deinars Wesen. Und ich räume ein, es war ein schweres Versäumnis, nicht auf Sie gehört zu haben.“
Mondheim führt mich zu einem Stuhl. Es gibt Kaffee, Brötchen, alles Mögliche an Belag. Ich komme mir vor wie im Urlaub. „Erst die Tablette,“ mahnt Mondheim. Gehorsam schlucke ich das Teil mit einem Schluck Wasser aus einem Glas, das schon bereitsteht. „Frau Hoffmann wird nachher in der Apotheke neue besorgen. Brauchst du sonst noch etwas? Du musst es ihr nur sagen.“
Die Hoffmann leistet uns Gesellschaft, puzzelt in der Küche herum. Ist doch etwas ungewohnt, so ein Aufpasser. Kaum ein halbes Brötchen bringe ich dabei herunter. Dafür muss ich den Tisch nicht abräumen; als ich mein Geschirr zusammenstellen will, greift sie sofort ein. „Das lassen Sie man stehen, junge Dame – darum kümmere ich mich schon.“
„Anne, ich muss ein wenig arbeiten,“ erklärt er mir. „Die Morgenstunden sind oft meine produktivsten. Da kann ich in aller Ruhe Papierkram erledigen und alles Mögliche aufarbeiten. Du ruhst dich am besten noch aus.“
„Stört Sie meine Anwesenheit beim Arbeiten?“ frage ich mutig. „Hast du schon wieder meinen Vornamen vergessen?“ rügt er mich. „Deine Arbeitszeit hat noch nicht angefangen, und außerdem arbeitest du heute gar nicht. Und ich glaube, in einer Session befinden wir uns auch nicht.“ Hastig werfe ich einen Blick auf die Hoffmann, die völlig ungerührt weitermacht mit dem Abräumen. Er grinst. „Keine Angst, Anne – Frau Hoffmann kennt die schwarzen Abgründe meiner Seele. Sie billigt sie nicht, aber sie nimmt sie hin.“ „Fürs Billigen zahlen Sie mir auch nicht genug,“ murrt sie. „Du siehst,“ bemerkt er, „alles ist käuflich, selbst Akzeptanz.“ „Raus mit Ihnen beiden,“ ordert sie nun energisch. „Ich habe noch mehr zu tun!“
„Ist dir das Sofa im Arbeitszimmer bequem genug?“ fragt er mich auf der Treppe. „Mit Sicherheit.“ Hauptsache, ich darf in seiner Nähe bleiben.
Ich untersuche die Bücherregale. Es ist wenig dabei, was meine Leseinteressen trifft, aber schließlich finde ich einen Klaus Mann, den ich vor Urzeiten einmal gelesen habe und immer noch einmal lesen wollte.
Sehr konzentriert bin ich nicht; lieber sehe ich ihm zu, wie er liest, tippt, überlegt. Ich weiß gar nicht genau, was er alles macht, und ich muss es nicht wissen. Ab und zu schließe ich die Augen, döse, träume. Gegen acht beginnen die Telefonate. Meines ist das erste; ich sage im Büro Bescheid. Nicht dass mich nachher jemand sucht. Man wird sich um alles kümmern, versichert man mir. Dann telefoniert Mondheim.
Ich wünschte, ich hätte etwas zu tun. Wenigstens einen kleinen Artikel könnte ich doch schreiben. Nicht dass ich unbedingt ins Büro wollte – wenn mich nicht jemand zwingt, rühre ich mich hier nicht vom Fleck. Höchstens bis zu seinem Schreibtisch, wo ich um Papier und einen Stift bitte. Er zieht die Augenbrauen hoch. „Du kannst es wohl nicht lassen? Na gut – wenn es unbedingt sein muss!“
Ja, und was schreibe ich jetzt? Mir ist so gar nicht nach einem Sachartikel; außerdem habe ich nichts da zum Nachschlagen. Hatte ich nicht irgendwann einmal begonnen, meine eigene Geschichte aufzuschreiben? Nein, auch danach fühle ich mich jetzt nicht. Ich bin aktiver Part, nicht Chronist. Aber eine Kurzgeschichte könnte ich vielleicht versuchen. Ja, genau. Und zwar nichts Sentimentales, ich will meine eigene Stimmung unberührt lassen durch papierne Worte, nein, es soll etwas sein, das mit mir gar nichts zu tun hat.
Ein ganz bissiges Teil scheint es zu werden, was da entsteht, merke ich bald. „Der begossene Pudel“ heißt es. Sie wollen es lesen? Kein Problem; bitteschön:
***