Im Domina Studio Teil 22
Ein Spielball einer ehelichen Auseinandersetzung war er; und irgendwie stört es ihn. Er ist sauer; dafür hat er sich gedemütigt, dass die beiden ihre eigene Agenda verfolgten?
„Es ist so ungerecht!“, sagt er heftig.
„Was ist schon gerecht im Leben, Simon? Aber ich bin noch nicht in der Lage, intelligent über die letzten Minuten zu philosophieren; ich muss mich erst einmal setzen.“
Auf dem Tisch steht Wasser; er gießt ihr ein Glas ein, wünscht sich, mehr für sie tun zu können.
„Eigentlich sollte keiner meiner Kunden einen derart intimen Einblick gewinnen“, bemerkt sie.
Innerlich zuckt er zusammen, so sehr er auch die Notwendigkeit einsieht, die Distanz zu ihm wiederherzustellen.
„Nun ist es allerdings so, Simon“, fährt sie fort, „, du siehst mich ein wenig verwirrt. Ich bin nämlich außerstande, dich nur als Kunden zu sehen. Irgendetwas an dir gefällt mir und reizt mich gleichzeitig. Deshalb haben wir jetzt ein Problem. Sofern du dir ausschließlich diese Kundenrolle und keine andere zugedacht hast, werde ich auch dich fortschicken müssen, denn diese Beschränkung werde und will ich nicht einhalten.“
Kleine Jubelfünkchen tanzen in seinem Bauch.
Er versteht noch nicht ganz, kennt die Konsequenzen nicht; aber eines steht fest – so wie für ihn, ist auch für sie der Versuch gründlich schiefgegangen, den unpersönlichen Abstand einer rein geschäftlichen Abwicklung zu wahren.
Sie deutet seine Verwirrung falsch.
„Ich hoffe, du hast nicht wie viele die dumme Vorstellung, wer in einem ganz speziellen Bereich seines Lebens dominieren möchte, kann alles, weiß alles, zweifelt nie und hat keine Probleme damit zu bestimmen, was geschehen soll.“
„Nein, keineswegs, Mylady. Ich gebe zu, es herrscht nicht gerade Klarheit in meinem Kopf, aber davon bin ich nie ausgegangen. Ohne dass ich jetzt konkret erklären könnte, wie ich das eine mit dem anderen in Einklang bringe. Ich nehme an, Sie haben die räumliche Trennung zwischen Wohnung und Studio herbeigeführt, um genau das einfacher zu machen?“
„Exakt, Simon“, lächelt sie. „Bislang bin ich davon ausgegangen, das partnerschaftliche Zusammenleben und die erotische Beherrschung streng trennen zu können und zu müssen. Dummerweise ist es eigentlich überhaupt nicht das, was ich will – ich dachte nur immer, es ginge nicht anders. Du siehst also, auch wenn man sich schon seit Jahren in dieser wunderbaren Welt bewegt, hat man keineswegs alle Antworten und Lösungen für alle Probleme. Unter den Umständen musst du dir keine Sorgen machen, dass du ein wenig durcheinander bist.“
Krachend fällt draußen eine Tür ins Schloss, und kurz darauf, etwas ferner, eine zweite.
„Arme Katrin“, bemerkt sie spöttisch.
Fragend sieht er sie an. „Katrin ist Alexanders Freundin. Ich nehme an, er geht zu ihr. Übrigens ist er Switcher; bei ihr ist er ganz die Dominanz in Person, wie es ohnehin viel besser zu ihm passt. Er wird seine Wut auf dich und mich mit Sicherheit bei ihr abladen. Daher mein Bedauern; es geht allerdings nicht sehr tief.“
Einen Augenblick bemüht er sich, die völlig unpassende Reaktion zurückzuhalten, doch es gelingt ihm nicht, er muss lachen, und sie stimmt nach einem kurzen Zögern mit ein.
„Und was wird nun werden?“
„Beziehst du die Frage auf dich, oder auf Alexander?“
„Nachdem ich ein persönliches Interesse an Ihnen nicht verhehlen kann, Mylady, das ungebührlich weit über das hinausgeht, was in der Position eines Kunden angemessen und erlaubt wäre, eher auf Alexander.“
„Du spielst gerne mit Worten, nicht wahr?“
Er nickt. „Ja – in Worten kann man viel verstecken, oder man offenbart durch eine geschickte Anordnung weit mehr, als sich bei oberflächlicher Betrachtung daraus ergibt.“
„Bist du auch in der Lage, auf das Versteckspiel zu verzichten und es ganz direkt auszusprechen, was du mit deiner Erklärung sagen willst?“
Unwillkürlich weicht er ihrem Blick zunächst aus, kehrt jedoch zurück. „Ich fürchte, Mylady, ich habe mich in Sie verliebt.“
„Du fürchtest das?“
„Nein, Entschuldigung, das war falsch ausgedrückt und ein weiteres Versteckspiel. Ich nehme diesen Teil zurück. Ich habe mich in Sie verliebt – Punkt.“
Sie schürzt die Lippen. „So ganz verkehrt ist es wirklich nicht, das zu fürchten. Es macht alles so schrecklich kompliziert. Aber ich sollte vielleicht zuerst deine Frage beantworten. Das liegt auf der Hand – es wird früher oder später auf eine Trennung hinauslaufen. Du hast bei uns ein wenig Katalysator gespielt, Simon, sicherlich weitgehend unbeabsichtigt. Es reicht nun einmal nicht, sich in diesem Raum hervorragend zu stehen, wenn man auch nebenan zusammenleben will. Ich weiß es alles noch nicht, und ich kann dir auch nicht sagen, wohin das mit uns führen wird. Jetzt will ich erst einmal allein sein, um nachzudenken. Ich möchte aber, dass du morgen Abend wiederkommst.“
„Das werde ich sehr gerne. Falls ich vorher etwas für Sie tun kann …“ Eine Handbewegung beim Aufstehen ersetzt die fehlenden Worte.
Auch sie erhebt sich. „Ich glaube nicht, Simon. Manche Dinge muss man einfach allein überstehen.“
„Sie hatten sich den Ausgang des Konfliktes anders vorgestellt, oder?“, fragt er auf dem Weg zur Haustür.
„Nein, erstaunlicherweise nicht. Natürlich habe ich auch alles für die Alternative geplant, aber es hätte mich im Gegenteil sehr überrascht, wenn es anders gekommen wäre, und auch ein wenig entsetzt, das muss ich zugeben.“
Die Zeit reicht nicht mehr nachzuhaken, wie sie das meint; sie sind schon beinahe vorne angekommen.
Er setzt zu einer Verbeugung an, als sie die Tür geöffnet hat.
Doch dann nimmt er allen Mut zusammen, legt ganz leicht die Arme um sie.
Er spürt nicht viel von ihr, zu krampfhaft bleibt er auf einer gewissen Distanz, nimmt nur wahr, wie sie einen Wimpernschlag lang den Kopf gegen seine Schulter lehnt.
Und wieder einmal steht er allein auf der Straße.