Im Domina Studio Teil 6
Diesmal kommt niemand, ihm zu öffnen, nur ein leises Brummen signalisiert ihm das Entriegeln der Tür, verstärkt sich beim Aufdrücken zu einem kurzen Crescendo, bricht abrupt ab.
Der Gang, an dessen Ende die sonnengelbe Tür offen steht, kommt ihm bereits vertraut vor. Es ist heller heute; zwei weitere Lampen, schlichte Glashalbkugeln, spenden Licht.
Er wird erwartet – das ist der Unterschied zum Freitag. Ein kleines Freudenfünkchen macht seine Schritte leicht; seine Schritte zur Guillotine ohne Messer.
Vorsichtig klopft er gegen das Sonnengelb, hat sie bereits entdeckt, ist jäh enttäuscht. Sie sitzt im Sessel, sieht genauso aus wie beim letzten Mal.
Erst beim Näherkommen, auf ihre Aufforderung hin, bemerkt er, die Brille fehlt, das Kostüm heute ist ein Hosenanzug, aus Leder, nicht aus Stoff, und darunter zeigen sich spitz die Anfänge von Stiefeln mit Absätzen, die das Stehen zu einem Balanceakt machen müssen. Nur die Bluse scheint dieselbe zu sein; die Bluse – und das Klemmbrett.
„Nimm Platz. Wir werden nun den weiteren Ablauf des Abend besprechen. Hast du dir Gedanken dazu gemacht?“,
Etwas in ihm sträubt sich gegen das vertrauliche du; es muss Herablassung darin liegen, denn er ist ganz gewiss nicht berechtigt, es aufzugreifen. Hinzu kommt ein heftiges Aufbegehren. Statt ihn für seine zwei Tage dauernde Zurückhaltung zu loben, stößt sie ihn sofort mit der Nase auf sein Versäumnis.
„Nein“, gesteht er.
„Das dachte ich mir. Du überlässt also die ganze Arbeit mir. Ich kann nur hoffen, aus deinen Reaktionen das Richtige zu erraten. Falls nicht, geschieht es dir allerdings nur recht. Unter den Umständen ist es natürlich sinnlos, meinen Fragebogen mit dir durchzugehen. Aber du wirst mir dieses Blatt ausfüllen.“
Er nimmt das Klemmbrett, wirft einen Blick auf das oberste Papier. Es ist ein Formular von behördlicher Strenge. Name, Vorname, Adresse, Alter, Telefonnummer, Mailadresse. Widerspruchslos klipst er den Stift ab, beginnt zu schreiben.
„Du bist wirklich ein ungewöhnlicher Mensch“, lacht sie. „Die meisten hätten sich jetzt geweigert. Nein, du musst das nicht ausfüllen; es war nur eine kleine Prüfung.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er auf, schreibt dann weiter. „Ich habe nichts zu verbergen.“
Er reicht ihr alles zurück. „Und – die Bezahlung?“, Von seinen Erkundigungen her hat er die Information längst, aber es kann ja nichts schaden, sich zu vergewissern.
„Wenn du meine Adresse hast, weißt du auch das. Ich wiederhole es allerdings gerne. In bar, und anders als sonst üblich im Nachhinein. Ich habe es nicht nötig, per Vorauskasse zu arbeiten.“
„Und die Höhe?“,, fragt er, amüsiert sich über ihr Selbstbewusstsein.
„Die bestimmst du selbst.“ Das ist es nicht, was man ihm berichtet hat. Nun, lumpen lassen wird er sich nicht; ob er nachher zufrieden ist oder nicht. Schließlich verdient er nicht schlecht, und allein die Erfahrung wird es wert sein.
„Fühlst du dich jetzt wohl genug, dein vertrautes Terrain zu verlassen, oder sollen wir weiter über Geld reden?“, unterbricht sie überraschend scharf seine Gedanken.
Ertappt, voller Scham senkt er den Kopf.
„Nachdem dir noch das grundlegendste Wissen fehlt, werde ich dir zusammen mit meinem Partner erst einmal etwas vorführen. Ich glaube, ein kleiner Voyeur steckt nämlich auf jeden Fall in dir.“
Erst ihre Handbewegung lässt ihn sich im Raum umsehen.
Unmittelbar neben der Tür hat jemand gewartet, der bisher durch nichts, nicht die kleinste Bewegung, nicht den leisesten Laut seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.
Er nimmt zuerst die Lederriemen und Ketten auf, die über dem dunkel behaarten Brustkorb ein Geflecht bilden, danach die Konstruktion aus mehreren Ringen um Schwanz und Eier, an denen beim Gehen eine Art Pendel schwingt. Der Gedanke an den massiven Zug lässt ihn die Oberschenkel zusammenpressen.
Erst danach sieht er dem Mann ins Gesicht, erkennt denjenigen, der ihm das letzte Mal im Anzug die Tür geöffnet hat. Sein automatisch-freundliches Begrüßungslächeln erstarrt sehr schnell; regelrecht durch ihn hindurchzusehen scheint der andere, nicht gewillt, ihn irgendwie zur Kenntnis zu nehmen.
Sie legt das Klemmbrett beiseite, steht auf, geht auf ihren Partner zu, küsst ihn, zieht dabei ruckartig an der Pendelkette. Er geht mit einem heiseren Ächzen in die Knie. Blitzschnell schlägt sie zu, ihm mitten ins Gesicht. „Ich hatte dir nicht erlaubt, dich meinem Kuss zu entziehen.“
Mühsam, gegen den anhaltenden Zug ihrer Hand, richtet er sich auf, mit schnellen, hastigen Atemzügen. „Ich bitte um Vergebung, Mylady.“
Er ist ebenso fasziniert von der kleinen Szene wie angewidert.
Ein kleines, befriedigtes Lächeln huscht über ihre Lippen. Der zweite Kuss wird nicht unterbrochen, obwohl ihre Hand die dünne Kette nicht loslässt, und er ist sogar richtig leidenschaftlich. Von beiden Seiten.
Was ihm auffällt, ist der Ausdruck auf dem Gesicht ihres Partners. Er hat die Augen geschlossen, als sei sein inneres Empfinden zu intensiv, daneben noch irgendetwas Äußeres sehen zu wollen, zu können.
Was wohl in ihm vorgeht?
Sie bricht ab. „Das ist übrigens Alexander“, bemerkt sie neutral, geschäftsmäßig zu ihm. „Falls du Wünsche hast, was ich mit ihm anstellen soll, Simon, sag es ruhig.“
Einen Augenblick erschrickt er, dass sie seinen Namen kennt, dann fällt ihm das Formular ein.
Wünsche? Er hat keine Wünsche. Er weiß ja nichts, wie kann er da etwas wollen. Sie wartet auch gar nicht auf seine Antwort, führt Alexander mit ihrer Hand an seiner Schulter zum Kreuz, wo er sich umdreht, ihr den Rücken kehrt, die Arme auf die beiden oberen Streben hebt, die Beine spreizt, entlang der unteren, die Stirn gegen das Holz lehnt.