Im Hotel
Ich war etwas schwankend. Auf der einen Seite war es gerade bei einem SM Anfänger wie James sicherlich nicht schlecht, ein festes Programm im Kopf zu haben.
Andererseits besteht der prickelnde Reiz der Sinnlichen Magie gerade darin, dass man mit der Situation mitgeht und nicht einem festen Drehbuch folgt. Ein Drehbuch kann eine Hilfe sein ebenso wie eine Behinderung.
Letztlich kann man das vorher gar nicht sagen – mit anderen Worten, man kann sich auch nicht wirklich vorbereiten. Deshalb hörte ich sofort wieder auf, mir Gedanken zu machen.
Meine Aufregung am Samstag sorgte dafür, dass ich extrem früh wach wurde, mit einem richtigen Kribbeln im Bauch. Von James hatte ich nichts mehr gehört; was mich nicht erstaunte. Es war ja alles klar, und auch ich hatte ihm nicht mehr geschrieben.
Mit einem starken Kribbeln im Bauch brachte ich die Stunden hinter mich, bis ich zu unserem Treffen fahren konnte.
Nachdem ich geduscht hatte, hatte ich mich von Phil in ein Lederkorsett schnüren lassen. Nicht zu eng, damit ich es ganz sicher auch ein paar Stunden aushalten konnte. Dazu trug ich einen Lederslip, nicht ganz ein String, schwarze halterlose Nylonstrümpfe und hohe schwarze Lederstiefel.
Weil ich mich so natürlich nicht auf offener Straße sehen lassen konnte, hüllte ich mich in einen bodenlangen Ledermantel.
Wie ich das nicht anders erwartet hatte, war James bereits auf seinem Zimmer, als ich an der Rezeption nachfragte.
Die Übelkeit erregende Aufregung war voll zurückgekehrt; ich zitterte am ganzen Körper. Es sollte ja nun niemand denken, dass dominante Menschen immer alles im Griff haben und eine solche Aufregung nicht kennen.
Das mit dem dominant und devot, mit dem Beherrschen und Unterwerfen, das ist schließlich nur etwas, was in der Erotik eine Rolle spielt.
Der Weg hin zu dieser Erotik ist für eine dominante Frau nicht einfacher als für jede andere Frau auch. Manchmal sogar schwieriger, denn schließlich muss eine dominante Frau weit mehr wagen. Dominante Frauen gehen in der Erotik viel weiter. Sie tragen die Verantwortung – denn das ist die Kehrseite der Dominanz.
Jegliche ängstlichen Gedanken verbannte ich allerdings in meinen Hinterkopf und konzentrierte mich auf das, was ich unmittelbar sah. Den Marmorfußboden des Foyers, die silbernen Wände des Aufzugs, den hässlichen dunkelgrünen Teppich im Gang, die weiße Holztür mit der Zimmernummer darauf, die James mir genannt hatte.
Ich ließ mir noch die Zeit, vor der Tür noch ein paar Male tief Luft zu holen, dann klopfte ich. Es dauerte einen Atemzug lang, dann öffnete sich die Tür, und James stand im Rahmen. Er sagte nichts, er sah mich nur an.
Seine Augen wirkten sehr groß und wie im Fieber. Sein Atmen klang schwer. Es war nicht nur Erregung, die das verursachte, es war auch Angst.
Vor allem hatte James ja auch Angst vor dem Unbekannten; denn anders als ich hatte er ja keine Ahnung von der Landschaft, die er in dieser neuen Welt entdecken würde. Er hatte mit SM noch nie etwas zu tun gehabt. Das hatte er mir sogar einmal verraten, als wir uns ganz am Anfang anlässlich einer SM Seite im Internet darüber unterhalten hatten.
Er wusste nur, ich hatte Ahnung davon; das hatte ich ganz offen gesagt. Und er wusste, ich hatte vor, ihn mit auf eine Reise in dieses Land zu nehmen. Was er sich wünschte, wovor er sich aber auch fürchtete.
Das Geheimnis wahrer Dominanz ist es, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern die Zügel immer nur so sehr anzuziehen, wie das noch nicht zugerittene Reittier – also der noch komplett unerfahrene Sub – es ohne große Überwindung verkraftet. Erst später, wenn ein ganz bestimmter Punkt erreicht ist, kann man weitergehen.
Ich schlang James einfach die Arme um den Hals und gab ihm einen Kuss, einen mit hoch dosierter Zärtlichkeit und etwas weniger hoch dosierter Leidenschaft.
Er reagierte sofort mit einem Stöhnen darauf, und dieses Stöhnen war nicht nur das Zeichen, dass er erregt war, sondern es war auch halb Entsetzen, halb Ekstase, dass er sich jetzt in die Achterbahn gesetzt und die Fahrt begonnen hatte, die er ab sofort nicht mehr ohne weiteres würde aufhalten können.
