Mails

24. Dezember 2010

Da ist es – das Mail von James, auf das ich gewartet habe. Das hattet ihr sicherlich schon erraten, dass ich auf etwas ganz Bestimmtes gewartet habe. Einfach nur Pflichtbewusstsein würde mich sicherlich nicht dazu bringen, ständig den Posteingang zu checken, wo mir Cathy und Phil doch ein so geiles Schauspiel bieten.
Aber James hatte versprochen, mir etwas zu schicken; und jetzt ist es da, das Mail. Das Entscheidende daran sind eine Uhrzeit und ein Ort; unser nächstes Treffen. Nicht in der Firma, wie ihr euch sicherlich denken könnt.

Schon morgen, am Sonntag, werden wir uns wiedersehen. Es ist für James nicht ganz so einfach; er ist verheiratet.
Falls ihr jetzt ganz empört fragt, weshalb ich mich darauf einlasse – nun, mir ist es doch so gerade recht. Schließlich bin ich ja auch mit Phil zusammen; so ist die Sache doch wenigstens einigermaßen ausgeglichen.
Allerdings hat James es schwerer, denn bei ihm darf seine Frau von nichts wissen. Ja, ich weiß – das ist das alte Klischee. Seine Frau versteht ihn nicht, bei der kann er seine bizarren devoten Neigungen nicht ausleben, also sucht er sich eine Domina, mit der er es ab und zu mal so richtig SM mäßig treiben kann.
Na und? Wie viele von euch sind in einer ähnlichen Situation? Mich stört das nicht. Ich bin kein Moralapostel. Wenn er sich dazu entschieden hat, seine Frau zu betrügen, ist das ganz alleine seine Sache.
Und erzählt mir jetzt bloß nichts von weiblicher Solidarität und so etwas. Nein, ich bin nicht für das Glück seiner Frau verantwortlich! Ich bin auch viel zu egoistisch, um wegen solcher steifen Moralvorstellungen wie Betrügen gilt nicht auf etwas zu verzichten, was mir so absolut fantastisch gut gefällt.
Aber ich sehe schon, jetzt wird es endlich doch mal Zeit, euch ein bisschen mehr über James zu erzählen.
James ist der Mitarbeiter bei der Firma, für die ich Übersetzungen mache, mit dem ich am meisten zu tun hat. Ich möchte jetzt nicht unbedingt sagen, dass es bei uns auf Anhieb gefunkt hat; ganz so war es nicht.
Zuerst haben wir uns einfach nur einigermaßen gut verstanden, wenn die Zusammenarbeit auch nicht ganz reibungslos verlief. Erst mit der Zeit kam dann irgend so etwas hinzu, was man gar nicht so richtig beschreiben kann; etwas, das die Luft um uns herum sirren ließ wie große Hitze. Aber ich beschreibe ihn euch erst mal ein bisschen.
James ist groß, fast zehn Zentimeter größer als ich, was ich sehr mag, er ist so schlank, dass man ihn schon fast dürr nennen kann, er hat ganz kurze blonde Haare und trägt immer wahnsinnig teure und schicke Anzüge, dazu Hemd und Krawatte. Er sieht immer aus wie aus dem Ei gepellt, wie man früher sagte, wirkt auch genauso steif, wie man sich oft die Engländer vorstellt.
Früher wollte er mal Priester werden und hat auch tatsächlich einige Zeit im Priesterseminar verbracht. Irgendwann hat er allerdings entdeckt, dass das wohl nicht so ganz seine Richtung ist. Von einem Tag auf den anderen hat er das Seminar verlassen und versucht, irgendwo anders Fuß zu fassen.
Dass er dabei ausgerechnet bei einer Firma gelandet ist, die Sexseiten im Internet betreibt, ist schon eine Ironie des Schicksals.
Geheiratet hat er inzwischen auch, wie ihr ja schon wisst. Es ist eine ganz brave Ehe, von allen gutgeheißen. Ich habe keine Ahnung, was bei den beiden im Bett läuft. Es ist jetzt nicht etwa so, dass James sich bei mir über seine Frau beschwert. Aber ab und zu macht er Bemerkungen, aus denen ich einiges erraten kann.
Sehr aufregend war das wohl nie. Das ist bei James heute noch so; alles, was mit Sex und Spaß und Vergnügen zu tun hat, gestattet er sich nie wirklich; da wirkt wohl noch das nach, was man ihm im Priesterseminar beigebracht hat. Das ist einfach nicht erlaubt. Umso perverser ist es, dass er in der Sex Branche arbeitet.
Oder vielleicht gerade nicht? Denn da arbeiten ja nicht die Leute, die Sexbilder geil finden, sondern die, die ein Geschäft wittern und in diesem Zusammenhang auch die Erotik ganz nüchtern betrachten können; von daher entspricht es ihm schon.
Auch seine masochistische Veranlagung hat möglicherweise dort ihren Ursprung. Wie ich die entdeckt habe, das erzähle ich euch beim nächsten Mal.


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