Verliebt – eine neue Sexgeschichte
Bevor ich weiter aus meinem Leben in der Ferienhütte berichte, werde ich auf ausdrücklichen Wunsch eines einzelnen Herrn noch einmal eine Fortsetzungs-SM-Sexgeschichte einfügen. Heute kommt der erste Teil.
Verliebt
Bestimmt hat er auch seine Träume von schwarzgekleideten Damen in High Heels. Welcher Mann hätte die nicht? Aber das hat ja mit der Sinnlichen Magie gar nichts zu tun.
Immerhin weiß er, was das ist; SM. Selten genug unter denen, die nichts damit zu tun haben. Wir reden sogar offen darüber.
Allerdings völlig unerotisch. Absolut sachlich. Nicht, dass ich in der Erinnerung daran nicht doch oft genug rot würde, aber es ist rein geschäftlich. Er ist der Chefredakteur, ich bin die „Erotikmieze“ in unserem Laden. Und nachdem geile Schlampen mit Riesentitten und knackigen Ärschen, um einmal den gebräuchlichen Jargon zu nutzen, zwar noch immer die Schwänze hochbringen, aber nicht das Image, bringe ich ab und zu ein bisschen besondere Würze in meine Artikel und schreibe über das, wovon kaum jemand in der Redaktion weiß, wie viel ich darüber weiß. SM halt. Das gruselt so schön, wenn man darüber liest, und man zeigt Flagge damit. Die Flagge der abwechslungsreichen Aufgeschlossenheit. Gähn.
Immerhin, er nimmt mich ernst. Was ich von den meisten meiner Kollegen nicht behaupten kann. Die Dämchen rümpfen die Nase, als klebe das Sperma, dessen Erguss ich auslöse, an meinen Klamotten statt nach deren Lektüre auf den entsprechenden Hochglanzseiten. Und die männlichen Kollegen, ebenso oft Konsumenten meiner Wort-Ergüsse wie die Leser, nur heimlich, verdecken ihre unanständige Begeisterung schamhaft hinter herablassendem Lächeln und dummen Witzen. Mir gerade ins Gesicht sehen können sie ebenso wenig, wie während einer ihrer Wichsereien in den Spiegel. Dies einmal ganz abgesehen davon, dass sie darin zu solchen Zeiten ohnehin nichts anderes sehen könnten als die kurvige, üppige, hingebungsvolle, stets willige und zu allem bereite Traumfrau.
Er ist anders.
Natürlich ist er anders; ich bin in ihn verknallt. Das verändert jeden Mann, diese berühmte Brille mit dem rosaroten Schleier, aus der nach erfolgreicher Eroberung mit der Zeit eine aschegraue Lupe für jede schlechte Eigenschaft wird. Aber wen interessiert das schon vorher? Mich nicht.
Ich meine, gut – völlig rosarot ist meine Brille gar nicht. Er ist so furchtbar steif, korrekt und konservativ, das ist mir schon klar. Nur, Himmel – ich mag ihn einfach. Und was kann ich dafür, dass ich beim Anblick seiner weißen Hemden unter dem vorschriftsmäßigen Jackett in anthrazit, hellgrau oder blau immer nur daran denken kann, wie es wäre, ihm den gebügelten blütenreinen Stoff vom Leib zu reißen und mich an der Haut darunter zu vergreifen? Vielleicht ist es unter anderem das, was mich so an ihm reizt. Seine scheinbare oder echte Unberührtheit. Es gibt kaum etwas, das ihn aus seiner stoischen Ruhe bringt. Weder fängt er an zu spucken, wenn ihn jemand versucht, zur Schnecke zu machen, noch bringen positive Gesten ihn in Verlegenheit. Ob der Typ überhaupt irgendwo etwas hat, das man Gefühl nennen kann? Nicht dass er jetzt unfreundlich wäre oder abweisend. Ganz im Gegenteil. Und ich glaube zumindest auch gewisse Unterschiede in seinem Umgangston herauszuhören. Aber erstens sind das nur Nuancen, und zum zweiten kann das auch pure Einbildung sein – ist das Ergebnis doch merkwürdigerweise, dass er mich lieber mag als manchen anderen Schreiberling …
Wie auch immer – der Kerl macht mich noch wahnsinnig. Man muss sich das einmal vorstellen – wir reden über intimste Dinge – ganz allgemein natürlich -, und Menschenkenner, der er ist, hat er doch inzwischen garantiert längst mitbekommen, wie sehr SM mich fasziniert. Trotzdem quatscht er noch immer mit mir darüber, als würden wir uns bei einem gepflegten Tee über die aktuellen Kinofilme unterhalten, die neueste Entwicklung in der Kommunalpolitik oder den frisch entdeckten Neandertalfund im Nachbartal. Nein, schon bei letzterem würde er garantiert mehr Begeisterung versprühen.
Immer stärker wird mein Wunsch, mit zitternder Hand die Peitsche zu führen, das ängstliche Aufblitzen in seinen Augen zu sehen, sein schmerzerfülltes Stöhnen zu hören unmittelbar nach dem Aufprall, und dann seine Dankbarkeit zu empfinden bei den sanften Einlagen, oder wenn ich am Schluss, selbst befriedigt, auch ihm erlaube, nach dem Schmerzgipfel den der Lust zu erobern, mit umso leichterer, berauschenderer Luft, weil es diesen anderen Gipfel vorher gab.
Seine Ruhe zerstören will ich, seine stets ernsten, klaren, ruhigen Worte sich verwandeln sehen in eine Mischung aus dunklem Ächzen und schrankenlos bewegtem Atmen. Sein Gesicht erneuert in eine Maske aus Begeisterung und Leiden. Aus Leiden mit Begeisterung und Begeisterung durch Leiden.
So naiv, so ignorant kann er gar nicht sein, nicht zu bemerken, was ich für ihn empfinde! Manchmal kann ich ihm schon nicht mehr in die Augen sehen; mir ist, als müsse er doch ganz genau wissen, was ich denke, und als lasse er mich mit geheimem Sadismus immer tiefer hineinrennen in diese Verrücktheit nach ihm, für mich so schmerzhaft wie das, was ich ihm voller Liebe antun möchte. Das ist so, wie wenn man in der Nacht von jemandem geträumt hat – irgendwie glaubt man doch immer, der andere müsse den Traum kennen.
Es ist Zeit, einen Schritt zu tun. Diese Hölle der Passivität, das ist nichts für mich. Und wenn er nicht will, übernehme ich das eben. Ist ja ohnehin meine Sache als der dominante Partner, die Initiative zu ergreifen. Pech nur, dass dazu immer zwei gehören. Der, der dirigiert – und der, der sich dirigieren lässt. Bevor nicht klar ist, dass wir eine Beziehung haben werden, und zwar eine, in der SM eine Rolle spielt, habe ich nicht die geringsten Rechte. Und lebe ständig in der Gefahr, dass ein Kavalier alter Schule wie er mich nur strafend ansieht, werde ich zu frech, zu fordernd, zu aktiv.
Trotzdem – was soll mir schon passieren, außer einer Ablehnung? Ich werde ihn einfach zum Essen einladen. Gleich morgen. Ganz harmlos, für die Mittagspause. Das fällt nicht so sehr auf. Er gehört zwar nicht zu denen, die eine lustige Mittagsrunde per Stempel „Arbeitsessen“ zum Überstundenpotential erklären; fast nie sieht man ihn mit einem Kollegen oder einer Kollegin. Weiß der Himmel, wo er isst. Und ob überhaupt. Er verschwindet um zwölf, und um halb zwei ist er zurück. So pünktlich, man könnte seine Uhr danach stellen – aber fast immer allein.
Das werde ich ändern.